Coltan
derweil etwas in sein Handy.
Als ich fertig war, sah ich den Älteren an und
legte den Ausweis aufs Fensterbrett.
„Und Sie?“
Er musterte mich reglos: „Die Asservate, wenn
ich bitten darf. Ihre Berichte, oder was Sie dafür halten, haben wir bereits.“
Ich machte eine unmissverständliche Geste,
worauf er seinen Dienstausweis zog und mir direkt vor die Nase hielt.
„K-a-r-l A-h-r-e-n-d-t“, ich buchstabierte laut
vor mich hin.
Wir hatten zwar verloren, aber kampflos wollte
ich mich nicht ergeben. Als ich aufsah, war die junge Frau verschwunden. Ich
blickte mich suchend um, im gleichen Moment kam sie mit Mader und dem Wagen aus
dem Seitengang heraus.
„Noch Fragen? Machen Sie Wochenende.“ Ahrendt
hielt sich die Hand vor den Mund und gähnte. Dann holte er tief Luft, sodass
sich sein weißes Oberhemd über dem Brustkorb spannte, und machte eine
militärisch exakte Kehrtwendung: „Trotzdem, ganz ordentliche Arbeit, nichts für
ungut.“
Hanschke steckte sein Handy in die Jackentasche
und leckte sich mit der Zungenspitze die Oberlippe.
„Man sieht sich.“, murmelte er, dem
davonziehenden Tross nachblickend.
Kaum war Ahrendt mit seiner Entourage im
nächsten Gang verschwunden, begann Hanschke jedoch völlig unerwartet Grimassen
zu schneiden und wirkte vergnügt wie nach einem gelungenen Streich.
„Kommen Sie, kommen Sie. Frau Mader, nichts
ist, wie es scheint. Zeit für einen Ausflug.“
In der Luft hing der Duft von Irish Moos.
Der Staatsanwalt schlenderte ungewohnt langsam auf
die geschwungene Treppe mit dem schweren schmiedeeisernen Geländer zu. Wer ihn
sah, musste annehmen, hier bereitet sich gerade jemand auf einen großen
Auftritt vor, sammelt sich, um dann gemächlich auf die im Foyer wartenden
Fernsehkameras zuzugehen.
Mader war noch immer sprachlos und alles in
ihrem Gesicht sagte, dass sie nicht gewillt war, noch länger auf eine Erklärung
zu warten. Ich ahnte zwar etwas, war aber auch nicht viel schlauer. Allein die
Vorstellung, dass Ahrendt sich jetzt durch Lilys Leben wühlen würde, verursachte
mir Ekel. Hinzu kam allerdings ein aufkeimendes Gefühl der Überlegenheit. Wir
waren ihnen einen Schritt voraus gewesen. Im Stillen hoffte ich, dass sie ihre
technischen Möglichkeiten auch nutzen würden, um zu überprüfen, ob es Kopien
der CDs gab. Ja, ich war durchaus stolz auf mich, und das war gut so, wie es in
dieser Stadt so oft hieß.
Tänzelnd nahm Hanschke Stufe für Stufe, seine
Finger glitten über das Geländer und trommelten den Rhythmus einer Melodie, die
nur er hörte. Mader folgte mit einigem Abstand und blieb plötzlich stehen. Auf
ihren Wangen tanzten kleine, rote Flecken. Hanschke schien ihren Unmut in
seinem Rücken zu spüren und blieb stehen, während seine Finger weiter den
unbekannten Rhythmus auf dem Geländer trommelten.
Noch bevor er ein Wort sagen konnte, flogen ihre
Worte durch die Halle: „Was soll das? Da kommt dieser, was weiß ich wer, wedelt
mit seiner Karte, quatscht was von innerer Sicherheit und ihr seht seelenruhig
zu, wie der uns die Ermittlungen aus der Hand nimmt. Wo leben wir denn! Ich
dachte, das gibt es nur noch in China oder Russland, dass irgendein Minister
entscheidet, wann wer was ermitteln darf! Verdammte Sauerei!“
Irgendwo klatschte jemand Beifall. Hanschke
drehte sich um, stieg langsam die Treppe wieder hinauf. Eine Stufe vor ihr blieb
er stehen: „Willkommen im Klub.“ Dann griff er nach Maders Hand und zog sie die
Treppe hinunter.
Natürlich hatte ich schon davon gehört, dass
Verfahren eingestellt, Ermittlungen torpediert, Staatsanwälte unter Druck
gesetzt wurden - aus Gründen der nationalen Sicherheit oder wegen
außenpolitischer Interessen. Aber hier ging es um den Mord an zwei
Prostituierten in Berlin, nicht um geheime Waffenprogramme oder
regionalpolitische Interessen irgendwo auf dieser Welt.
Hanschke wirkte noch immer euphorisiert. Und,
ohne zu wissen warum, überkam auch mich plötzlich eine unbändige Freude. Das
bislang Unerklärliche, Unsichtbare begann in meinem Kopf Gestalt anzunehmen. Denn
eins war plötzlich klar, es gab einen, der im Hintergrund die Fäden zog. Und
nicht nur das: Er hatte sich auch noch freiwillig ins Rampenlicht begeben. Das
war mehr, als wir noch vor einer Stunde zu hoffen gewagt hätten. Und noch etwas
war jetzt klar: Weder Lily noch Susanne Berthold waren das Opfer eines
Perversen. Während ich bislang noch insgeheim daran gezweifelt hatte, dass wir
einen Auftragsmörder suchten, so
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