Coltan
Amtsrichter findet sich immer, der seinen
Namen unter einen Durchsuchungsbeschluss setzt.
Welche Geschäftsbeziehungen konnte eine
dot-com-Firma schon zu einem Hostessenservice unterhalten? Bestechung, Untreue
– der Verdacht reicht allemal. Und Minuten später steht eine halbe
Hundertschaft vor der Tür, im Schlepptau den einen oder anderen Journalisten.
Abrechnungen, Kontobelege, Überweisungen, lauter
Indizien. Zu dürftig, um sich ernsthaft mit einer Bundesbehörde anzulegen. Aber
gerade genug, um ihm in die Quere zu kommen.
Für Hanschke wäre er, Ahrendt nur Beifang, eine
Art Bonus. Doch der Staatsanwalt wollte nur Starnhagen.
Irgendwo schlug jemand an eine der Fahrstuhltüren.
Starnhagen war und blieb das Problem. Ahrendt setzte den Lift wieder in Bewegung.
Als sich die Tür kurz darauf öffnete, stand die philippinische Reinigungskraft vor
ihm, bewaffnet mit Wischmob und Staubsauger.
Misstrauisch sah sie ihn an.
Ahrendt winkte ab: „Die – Stopp-Taste!“
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Hanschke stößt die Drehtür auf und wir haben
Mühe, ihm zu folgen. Nach zwei Ecken, drei Treppen und einem halbdunklen Gang
stehen wir vor einer Stahltür mit elektronischem Sicherheitsschloss. Der Staatsanwalt
greift in seine Jackettasche und zieht eine elektronische Schlüsselkarte
heraus, ein Klicken, dann gleitet die 15 Zentimeter dicke Stahltür lautlos zur
Seite. Bis eben dachte ich, jeden Winkel hier zu kennen, der Keller aber ist
absolutes Neuland.
Eine Klimaanlage simuliert frühlingshafte
Temperaturen, unzählige Computer stapeln sich hinter hohen Glastüren, hier und
da sitzen Männer mit Kopfhörern in quadratischen Glaskästen. Ein riesiges
Aquarium an der Stirnseite des Raumes, in dem vier plötzengroße Goldfische
phlegmatisch dahin schweben. Die Wände weiß gelackt, das also ist das Herz des
modernen Polizeiapparates. Während bei den wirklich erfolgreichen Verbrechern Note-Books,
Satellitenhandys und Navigationssysteme zum Handwerkszeug gehören, arbeiten wir
oft noch so, als hätte sich seit dem ersten Handtaschendiebstahl nur wenig verändert.
Ältere Kollegen finden hin und wieder „Inder nett“ und reagieren unsicher bis
bösartig, wenn man sie nach ihrem Account fragt: „Meine Schreibmaschine heißt
Rheinmetall!“
Hanschke öffnet eine Glastür und bittet uns mit
einer Handbewegung in einen in einen kleinen Konferenzraum. Dann legt er seine
Aktentasche, über deren Inhalt ich schon seit Langem spekuliere, auf den Tisch.
Jetzt bekam ich die Antwort. Dieser Mann, der seine Taschentücher auf Kante
bügelte, zieht einen flachen, schwarzen Computer hervor, stöpselt zwei Kabel
ein und drückt den Startknopf.
Mader blickt sich unsicher um und rückt mit
ihrem Stuhl näher über den Boden scharrend zu mir.
Hanschke sieht kurz auf: „Gleich!“ Dann zieht
er eine Leinwand herunter und kurz darauf blitzte eine Power-Point-Präsentation
auf.
Wo ist der aktenbewehrte, unauffällig durch die
Welt huschende Mann mit einem Hang zur Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit
abgeblieben? Ein Freak in Fischgrät. Ja, er hat sich meinen fassungslosen
Gesichtsausdruck redlich verdient.
„Also.“, mit verschränkten Armen beginnt er seinen
Vortrag.
Zum Auftakt hören wir jedoch nur, was wir
selbst schon wissen: Lily und Susanne Berthold. Der logische Schluss war, Susanne
Berthold war damals von Lily engagiert worden. Für wen – eine der vielen offenen
Fragen.
Jetzt ruft Hanschke eine Seite auf, die schlicht
und ergreifend mit „Ausflugserlebnisse“ betitelt ist. Eine Animation. Auf einer
Karte von Schneeberg bewegen sich unzählige Punkte: „Der rote da, das ist Ihr
Handy, Gallert. Die schwarzen Punkte gehören alle zu Menschen, die an diesem
Vormittag in Schneeberg mit einem Handy unterwegs waren.“
Er drückt auf eine Taste und die Anzahl der Punkte
reduziert sich: „Jetzt sehen wir das Ergebnis des ersten Filters. Um es kurz zu
machen, alle Schneeberger sind verschwunden, aber Gallert ist immer noch da und
mit ihm 189 weitere Handybesitzer, die nicht dort angemeldet sind.“
Er betätigte erneut eine Taste und die Zahl der
Punkte verringerte sich nochmals: „Und jetzt sieben wir weiter, übrig bleiben
alle, die nicht im Umkreis von 100 Kilometern wohnen.“ Es verbleiben zwei, drei
Dutzend Punkte. Kein Wunder, der Ort ist kein gefragtes Urlaubsziel.
„Tolle Technik, was?“, Hanschke ist begeistert.
„Jetzt der Höhepunkt. Siehe da, Gallert hat sich auf den Weg gemacht, von Funkzelle
zu Funkzelle und was
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