Coltan
dann kopfschüttelnd: „Das glaub ich nicht, nein!“, sie blätterte
weiter. „Und noch mal. Und er ist immer davongekommen?“ Sie sah Hanschke
ungläubig an.
„C´est la vie.“
„Der ist doch jetzt Staatssekretär, oder?“
„Richtig. Zuständig für Außenwirtschaft. Vor
zehn Jahren politisch eher unbedeutend, allenfalls in der Region bekannt.
Strippenzieher: hier eine Baugenehmigung, da ein paar Tausender
Investitionshilfe. Sein Geld hat er mit der Vermittlung von Exportgeschäften
verdient.“
Mader reichte mir den Ordner.
„Arthur Starnhagen/Staatssekretär“, stand auf
dem Deckel. Der Name sagte mir nicht viel, vermutlich, weil ich nur selten eine
Zeitung in die Hand nahm. Morgens eine halbe Stunde Radio, das reichte, um meine
Vorurteile zu bestätigen. Die Welt ist, was sie ist und wer zuviel erwartet,
wird jeden Tag aufs Neue enttäuscht. Mein Interesse an Details war eher mäßig
entwickelt.
Das Foto zeigte ihn vor zehn Jahren mit vollem,
dunklem Haar irgendwo in einem Straßencafé in Asien. Neben ihm ein kleines Mädchen,
ganz eindeutig noch ein Kind, dessen Hand er auf seinen Oberschenkel drückt.
Ich blätterte weiter. Eine Strafanzeige wegen
sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen, gestellt von einer katholischen
Missionsschwester in Thailand. Damals konnten sich Pädophile noch im Ausland
austoben, ohne in Deutschland dafür belangt zu werden. Dennoch, die Veröffentlichung
hätte ihn sicher aus der Karrierebahn geschleudert.
Die Akte bestand nur aus Kopien, die
Paginierung war unvollständig und wechselte. Im ersten Fall waren die
Ermittlungen in Bonn geführt und eingestellt worden, sieben Tage nach Eingang
der Anzeige im deutschen Konsulat in Bangkok.
Ein kurzer Sachstandsbericht: Das Foto stammte
von der Nonne, die wohl das Mädchen, nicht aber den Europäer kannte. Allerdings
wusste sie, dass er ein Deutscher war.
Wochen später dann teilte ihr ein
Konsulatsmitarbeiter schriftlich mit, der Mann habe nicht identifiziert werden
können.
Hanschke beobachtete mich im Rückspiegel: „Tja,
haben sich alle Mühe gegeben damals, die Leute von der Botschaft.“
Er verzog keine Mine: „Aber, da kommen ja Tausende,
wer will da noch den Überblick behalten.“
Urplötzlich krachte ich mit dem Kopf ans
Fenster. Hanschke war rechts abgebogen, ohne Vorwarnung, ohne abzubremsen.
„Nur -“, er leckte sich kurz die Lippen,
„Starnhagen wollte damals spezielle Werkzeugmaschinen an die Militärs
verkaufen. Heißt, ich glaube, er ist in der Botschaft ein und ausgegangen. Aber
was zählen schon Glaubensbekenntnisse.“
Die zweite Anzeige war drei Jahre alt. Tatort
Cheb, Tschechien. Eine deutsche Sozialarbeiterin, die hinter der Grenze Kondome
an Prostituierte verteilt, glaubte, ihn erkannt zu haben, als er eine
Minderjährige ins Auto einlud. Damals war Starnhagen schon prominenter, saß bereits
im Bundestag. Sie hatte leider nur Teile des Kennzeichens angeben können, es
war später Abend. Dazu Autofarbe und Marke. Die Anzeige war in Plauen
aufgenommen worden.
Hanschke räusperte sich: „Völlig klar, dass es
kein Fahrzeug gab, auf das die Angaben zutrafen. Typischer Irrtum einer
überspannten, unbefriedigten Emanze. Hab mich mal mit dem Kollegen da unten auf
ein Bier getroffen. Leider hatte er kaum Zeit zum Bearbeiten. Nach der ersten Anfrage
gab es plötzlich unerwarteten Besuch. Klappkarte auf, Klappkarte zu, danke und
tschüß. Haben alles mitgenommen. Aber, die Dame hatte noch eine Kopie der
Anzeige. Für ihre Unterlagen.“
„Diese - “, auf Maders Wangen bildeten sich wieder
kleine rote Flecken.
„Aber, warum haben Sie -“
„Abwarten, nicht so eilig. Da gibt es ja noch
einen. Tarnowski, Wladimir Tarnowski. Fing an als kleiner Schieber, ein wenig Kaviar,
Gold, mal ein geklautes Auto. Hat sich Anfang der 90er selbständig gemacht, vorher
Abwehroffizier bei den Russen in Karlshorst. Wollte nicht zurück in die luxuriösen
Containerdörfer, die wir ihnen für den schnellen Rückzug spendiert haben. Hatte
auch ein paar Frauen laufen, gehobene Klasse mit Touristenvisum für besondere
Anlässe. Ein kleines Kartell, ein paar Beamte aus der Bauverwaltung und vier,
fünf Unternehmer. Gemütliche Runden, bei denen Angebote verglichen und
Ausschreibungen frisiert wurden. Tarnowski, gut im Geschäft, sorgte zunächst
nur für den gemütlichen Rahmen. Na, jedenfalls sind wir da rein, nehmen die
Personalien der Herren auf, alles ganz ruhig. Plötzlich steht einer vor mir und
sagt: Das
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