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Coltan

Coltan

Titel: Coltan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivo Andress
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einen Aschenbecher zutage und ließ mich wieder
allein.
    Hohe, weiße Wände, genietete englische Sessel,
kein Fenster. Stehlampen sorgten für warmes, gelbes Licht. Alles glich mehr
einem verschwiegenen Clubraum als einer Kanzlei.
    Plötzlich stand Schenkendorff vor mir.
    „Hat er“, kurzes Kopfnicken Richtung Tresen, „Ihnen
die Wartezeit so angenehm wie möglich gemacht?“
    Er war kleiner als ich, um die 60 Jahre. Die
Ärmel des weißen Hemdes aufgekrempelt, eine schwarze Fliege und breite
Hosenträger. Drahtig mit Halbglatze, das verbliebene Haar nicht länger als fünf
Millimeter. Ohne die Antwort abzuwarten, zog er mich in eine Art Konferenzsaal.
Ledergebundene Bücher in deckenhohen Regalen, ein ovaler Konferenztisch in der
Mitte. Vor dem geöffneten Fenster schwelte ein Zigarillo auf dem Rand eines
Rauchertischs einsam vor sich hin.
    „Schöne Aussicht.“
    Schenkendorff beugte sich aus dem Fenster: „Ab
und an ein bisschen zuviel Verkehr, aber dafür immer das pralle Leben.“
    Er griff nach dem Zigarillo und drehte sich um:
„Sie sind also Herr Gallert.“ Ich reichte ihm meinen Dienstausweis. Der
Professor las, betrachtete das Passbild, dann mich:
    „Setzen Sie sich doch, bitte.“ Er legte das
Zigarillo ab und griff nach einem Telefon im Regal: „Ja, Prof. Schenkendorff.
Würden Sie mich bitte mit Herrn Gallert verbinden.“
    Ich verstand nicht. Was glaubte er, wen er vor
sich hatte?
    „Schenkendorff, ich suche Herrn Gallert.“
    Pause.
    „Unterwegs, ja. Mit wem habe ich das
Vergnügen?“
    Pause.
    „Ja, Frau Mader, wenn Sie die Güte hätten, ihm
auszurichten, dass ich ihn dringend sprechen müsste.“
    Pause.
    „Auch Ihnen einen angenehmen Tag.“
    Nachdem er das Telefon zurück ins Regal gelegt
hatte, lehnte er sich wieder paffend ans Fenster.
    Mein Telefon summte: „Lass gut sein. Er steht direkt
vor mir, erklär ich Dir später.“
    „Gut. Kommen wir zum Anlass Ihres Besuchs.“
    Schenkendorff wies auf die Stühle am
Konferenztisch.
    „Ich muss wohl leider davon ausgehen, dass Frau
Gormann verstorben ist?“
    „Sie wurde ermordet.“
    Schenkendorff ging schweigend in den hinteren
Teil des Raumes, wo er eine Akte aus einem Wandschrank zog.
    „Musste Sie leiden?“ Seine Stimme bebte, er
vermied es, mich anzusehen.
    „Sie wurde betäubt und anschließend ertränkt.“
    Ein leises Stöhnen. Er stützt sich am Regal ab,
zwei drei Sekunden, dann richtete er sich wieder auf, kam fast schlurfend
zurück und nahm auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches Platz: „Ja. Sie
haben also den Schlüssel gefunden und das Schließfach und erwarten jetzt eine
Erklärung.“
    Keine Frage, er war auf diesen Moment
vorbereitet.
    „Also, ich vertrete Frau Gormann seit nunmehr
zehn Jahren. Zivil- und Steuerrecht. Dies und das, Kleinigkeiten. Sie wissen ja
um die Schwierigkeiten ihres Berufes.“
    Er zog eine Brille aus der Hemdtasche, putzte die
Gläser sorgfältig und schlug den Aktendeckel auf: „Es war vergangenen Freitag
vor vier Wochen. Sie hatte telefonisch um einen Termin gebeten. Dringend. Sie wollte
ihre Vermögensverhältnisse ordnen, ein Testament aufsetzen. Wir bereiten das
immer vor. Und, ja, sie wollte eine eidesstattliche Versicherung abgeben. Zu
Ihren Händen.“
    Meine Schultern begannen zu zucken.
    „Verzeihen Sie, besser der Reihe nach. Frau
Gormann hatte Angst. Weil, also, sie ist Zeugin einer Straftat geworden. Natürlich
habe ich Sie beraten. Aber, nein, zur Polizei wollte sie nicht. Sie hatte wohl
so etwas wie einen Plan. Und dass Sie bei der Polizei sind, ganz ehrlich, davon
hat Sie mir nichts gesagt.“
    Er hatte sich wieder gefasst, ein leichtes Räuspern,
ein Blick über den Tisch. Ich war nicht sicher, ob er eine Erklärung erwartete.
    „Ich kannte sie gut genug, um ihr jedes Wort zu
glauben. Frau Gormann neigte nicht zur Hysterie.“
    Er stand auf, schloss die beiden Fensterflügel
und begann wieder seine Brille zu putzen.
    „Nein, hysterisch war sie nicht, ganz und gar
nicht.“
    Schenkendorff putzte noch immer seine Brille
und starrte ins Leere. Langsam wurde ich ungeduldig: „Und dann?“
    Der Anwalt setzte die Brille wieder auf und sah
mir in die Augen, während er einen versiegelten Briefumschlag aus der Akte zog:
„Ich habe hier eine Aussage über ihre Erlebnisse im Hotel Four Palms. “ Er
schob den Umschlag langsam über den Tisch. „Ich habe die Aussage aufgenommen.
Natürlich bin ich bereit, zu dem Vorgang auszusagen.“
    Ich griff nach dem Umschlag,

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