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Coltan

Coltan

Titel: Coltan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivo Andress
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wir
schon. Was wir wissen wollen ist: Wo finden wir die Kleine?“
    Van Broiken wechselte von einem Moment zum
andern den Gesichtsausdruck. Über ihrer Nasenwurzel bildeten sich drei senkrechte
Falten, eskortiert von den sorgsam gezupften Augenbrauen. Durch ihren kleinen
Finger ging ein leichtes Zucken. Jeder hat seine Aussetzer, wenn es ernst wird.
Soviel Aufwand für nichts, was hatte sie gewonnen?
    Ich lehnte mich zurück, verschränkte die Hände
hinterm Kopf: „Naja, zumindest hätten wir jetzt ein wenig Futter für die
Presse, die freu´n sich bestimmt.“ Sie zwinkerte nervös mit den Augen, dann
fasste sie sich, setzte ihr Standardprogramm in Gang. Ihr Körper spannte sich
zum Gegenschlag: „Wissen Sie Gallert, Sie sind doch auch nur ein aufgeblasenes,
versoffenes Arschloch. Was kann ich für ihr versautes Beamtenleben. Ich weiß
zumindest, mit wem ich ins Bett gehe. Ohne die da,“ sie zeigte auf Mader,
„wären Sie doch schon längst erledigt.“
    Ihre Stimmlage hatte sich nur unmerklich
verändert. Wir stierten uns an. Ich war wütend – weil sie wohl glaubte, wir
hätten nicht gemerkt, dass sie uns nur benutzen wollte. Und wenn schon, es
konnte mir egal sein. Und natürlich hatte sie recht. Aber da war noch etwas,
ihre Wut, die war nicht gespielt. Genauso wenig wie meine. Mader legte ihre
Hand auf meine Schulter: „Das reicht jetzt.“
    Van Broiken machte Anstalten zu gehen, doch
Mader griff blitzschnell nach ihrem Arm und zog sie zurück: „Sie bleiben hier. Wir
sind noch nicht fertig. Sie wollen Ihren Chef abservieren? Ist mir völlig egal.
Ich will nur wissen: Wie kriegen wir Starnhagen?“
    Schweigen. Jeder spürte, dass eine kurze
Auszeit angebracht war. Ich streckte meine Hand vor und van Broiken zögerte
einige Sekunden, bevor sie einschlug. Waffenstillstand. Sie dachte nach.
    „Waren Sie schon bei Starnhagens Frau?“
    Mader entspannte sich: „Und Tarnowski?“
    „Der hat seine Leute. Ist auch schon abgereist
und außerdem immun. Diplomatenstatus.“
    Ich sah zweifelnd von einer zur andern: „Seine
Frau?“
    Van Broiken verdrehte die Augen: „Druck
aufbauen! Abwarten! Wenn er sich bedrängt fühlt, wird der Herr Staatssekretär alles
tun, um ungeschoren davon zu kommen. Und wenn ich Tarnowski wäre, um den hätte
ich mich längst gekümmert. Die Verträge sind schließlich alle unterschrieben.
Er ist nur noch ein Risiko.“
    Langsam verstand ich: „Und Sie meinen nicht,
dass ein Besuch in eurem kleinen Reich uns alles liefert, was wir brauchen?“
    „Seien Sie nicht albern, was wollen Sie da noch
finden?“
    Eine Frage blieb mir noch: „Wie haben die Lily
aus dem Hotel geschafft?“
    „Keine Ahnung. Ist uns durch die Lappen
gegangen. Ich tippe auf den Catering-Service. War es das?“ Sie erhob sich,
schob die Sonnenbrille auf die Nase und trabte locker davon. Der Stick lag vor
uns auf dem Tisch.
    „Wir sollten mit Hanschke reden.“ Mader wählte
seine Nummer, dann legte sie auf: „Wieder nur der Anrufbeantworter. Lass uns
Feierabend machen.“
    Mader wollte mich fahren, ich winkte ab. Eine
halbe Stunde später stand ich unschlüssig vor den Stufen einer Souterrainbar. Als
die Sonne hinter dem First des ehemaligen Postfuhramtes verschwand, kippte ich
den ersten Single Malt. Zwei Tage nichts getrunken, und was hatte es gebracht?
    Auf dem Weg zu meiner Wohnung hing sich eine
tief ausgeschnittene Mittdreißigerin, die sich Cindy nannte, an meinem Arm. Ich
dachte an Mader, an Lily und hoffte, Cindy würde mich bewusstlos vögeln. Nach
einer guten Stunde, die mich einen Tageslohn kostete, lag ich schwitzend auf
meinem Bett und sah ihr beim Schminken zu. Dann fiel die Tür ins Schloss. Sex
und Alkohol, die unterschätzten Friedensgötter.

95
    Mader fuhr ziellos durch die Stadt und
versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Gallert. Sie hatte ihn beobachtet, wie er
lauerte und hoffte und am Ende nur Wut und Enttäuschung blieben. In solchen
Momenten schien sein Gehirn auf Notversorgung umzuschalten, jedes weitere Gespräch
war sinnlos.
    Sie indes schwankte zwischen Mitleid und Überlebensinstinkt.
Manchmal überkam sie das Verlangen, ihn einfach in die Arme zu nehmen, fest an
sich zu drücken und die Zeit anzuhalten. Er geisterte durch ihre Träume, mal
als Mann, mal als versoffenes, gefühlloses Ungeheuer.
    Aber es gab da noch dieses andere Gefühl, das
auszuleben, sie sich nicht gestattete, noch nicht. Anders als van Broiken. So
sehr sie sich von dieser Frau abgestoßen fühlte, so sehr

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