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Commedia und Einladungsband: I.Commedia. In deutscher Prosa von Kurt Flasch II.Einladung, Dante zu lesen (German Edition)

Commedia und Einladungsband: I.Commedia. In deutscher Prosa von Kurt Flasch II.Einladung, Dante zu lesen (German Edition)

Titel: Commedia und Einladungsband: I.Commedia. In deutscher Prosa von Kurt Flasch II.Einladung, Dante zu lesen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dante Alighieri , Kurt Flasch
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Tag singt:
Wer war es,
wer war nur der Schuft,
der mir den Topf mit Kräutern stahl,
und so weiter.
    Boccaccios Elisabetta ist die äußerste Gegengestalt zu Beatrice: Die Frau nicht als Himmelsherrin, sondern eine Liebende, schwach, gedemütigt, in den Wahnsinn getrieben. Die Kaufmannswelt ist der Liebe nicht günstig; Boccaccios Variation über ein Volkslied hat nichts Beruhigendes. Wer sagt, Boccaccio erzähle nur zum Vergnügen, hat diese Novelle nicht beachtet. Diese Frau hat das Inferno auf Erden. Kein Engel tröstet; kein Gericht gibt ihr recht. Die drei Brüder verlassen Messina und treiben ihr Geschäft anderswo weiter. In der äußeren Welt siegt der Geschäftsgeist. Der Schmerz dieser Frau lebt nur in dem melancholischen Lied. Diese mercanti planen kaltblütig, sind um den Ruf der Firma und die Heiratsfähigkeit der Schwester besorgt. Über deren Hochzeit entscheiden sie; wenn es nicht in ihrem Sinn läuft, verüben sie einen ›Ehrenmord‹. Sie täuschen Fortdauer der Freundschaft mit Lorenzo vor und bringen ihn um.
    Diese Novelle ist auch nur eine von hundert, eine Teilaufnahme, gedichtet mit so viel Faktenfülle, wie nötig ist, um die Kaufmannswelt zu durchschauen und Anteil zu geben am Schicksal einer liebenden Frau. Sie betritt Neuland gegenüber der Commedia: poetisch, sozial, ethisch. [857]  

    Die Novelle von Elisabetta zeigt die Frau als Opfer. Sie stirbt dem ermordeten Geliebten nach. Sie erklärt nichts mehr – in einem Buch, in dem sonst toskanisch-viel geredet wird. Sie tritt im Wahnsinn ab. Sie verläßt stumm eine Welt, deren Schändlichkeit wir jetzt wissen, begeht sie doch noch Verbrechen, indem sie schweigt wie Elisabettas hinterlistige Brüder. Dies muß in Erinnerung halten, wer Dante und Boccaccio in Beziehung setzt. Das verändert konventionelle Bilder.
    Aber nicht das Bild der leidenden Liebenden ist der Hauptakzent, den das Decameron dem Nachdenken über Frauen hinzugefügt hat. Noch hervorstechender ist das Interesse Boccaccios an der unüberwindlichen Selbständigkeit, die Frauen gerade in Not und Erniedrigung beweisen. Sie verwandeln ihre Niederlage in Sieg. Männer, die herrschen wollen, degradieren sie zum Objekt ihrer Regeln und ihrer Beschlüsse; aber sie behaupten sich und beweisen die Schwäche der scheinbar Starken. Sie zeigen der Welt, was ein Subjekt ist. Sie vollbringen, was Dante im vierten canto des Paradiso von Konstanze verlangt, was diese aber nicht gekonnt hat. Das Decameron hat gegenüber Dante nicht nur den sozialen Umkreis der Poesie erweitert, es hat nicht nur eine neue Diktion für neue Schichten erfunden; es führt eine außerordentliche intellektuell-mentale Vertiefung des Ichbewußtseins vor und spricht sie ausgerechnet Frauen zu. Elisabetta verstummt in ihrem Wahn, aber es gibt eine Reihe von Geschichten, in denen die Frauen reden : Madonna Filippa aus Prato zeigt sich unerschrocken vor Gericht, bekennt sich dazu, mit einem Mann, mit dem sie nicht verheiratet ist, geschlafen zu haben. Sie erreicht die Abschaffung des grausamen Strafgesetzes für Ehebrecherinnen (Dec. 6, 6).
    Diese Rückständigkeit ist nur in Prato möglich, dachte und denkt heute noch jeder Florentiner. Solch urtümlich-rohe Gesetze haben wir hier am Arno nicht.
    Sehen wir zunächst auf die Rolle der Männer: Rinaldo erwischt seine Frau beim Ehebruch. Er will sie umbringen, verlangt dann aber von den Gesetzen der Stadt, was ihm verboten ist. Er hat eine seltsam-archaische Auffassung von der Rechtsordnung. Er fragt nicht, warum seine Frau einen Liebhaber braucht; seine sexuellen Kapazitäten sind so beschränkt wie seine intellektuellen. Auffallend übereifrig bestätigt er: Sie hat ihm alles gegeben, was er brauchte. Filippa dreht die Situation um; die angeklagte Ehefrau blamiert den Ankläger. Sie redet nicht mit ihm, sondern läßt ihn durch den Podestà befragen. Auch das eine Umkehrung. Sie ist die Herrin der Situation, gerade indem sie nicht auf die Schlaumeier hört, die ihr geraten haben, nicht zum Termin zu kommen, und indem sie verächtlich die Einladung des Podestà ignoriert, sich durch eine Lüge zu retten. Wenn alles nicht so lustig wäre, könnte man sagen, das klinge fast nach Schiller, die Frau als transzendentales moralisches Subjekt, die es für gleichgültig erklärt, was ihr die Außenwelt antut. Ihre Liebe, gerade auch die körperliche, das ist sie selbst, und sie steht zu sich. Dieses Selbstverhältnis war, wenn ich nichts übersehe, in der Commedia kein

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