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Commedia und Einladungsband: I.Commedia. In deutscher Prosa von Kurt Flasch II.Einladung, Dante zu lesen (German Edition)

Commedia und Einladungsband: I.Commedia. In deutscher Prosa von Kurt Flasch II.Einladung, Dante zu lesen (German Edition)

Titel: Commedia und Einladungsband: I.Commedia. In deutscher Prosa von Kurt Flasch II.Einladung, Dante zu lesen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dante Alighieri , Kurt Flasch
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Fleisch bekleidet , er könne es ihnen wieder ausziehen  –, sei mißglückt. Dieses Detail der sonst großartigen Ugolino-Erzählung sei eine der wenigen schwachen Stellen in der Commedia (S. 37). Und doch endet hiermit nicht Borges’ Kritik: Der ganze poetische Aufwand solle, schreibt er, dazu dienen, die früh gestorbene Geliebte wiederzufinden, aber Beatrice bleibe unerreichbar. Zuerst stirbt sie, dann schickt sie Stellvertreter, Vergil und Bernhard, zuletzt zieht sie sich auf ihren Himmelssitz zurück. Dante bleibt allein. Die Commedia ist die Geschichte einer unerfüllten Liebe, eine Traumvision, in der immer etwas dazwischentritt, das ersehnte Glück zu verhindern. Daran ändere auch das Lächeln Beatrices nichts. Dante erträumt sie als zu streng und als unnahbar (S. 94–95).
    Borges’ Einwände blenden – obwohl er den 13. Brief für authentisch hält (S. 20 und S. 108) – alles Politische, alles Philosophische und Theologische der Commedia aus; aber ihre Schwäche als Liebesgeschichte hat wohl niemand so frisch und so frech ausgesprochen wie er. Er schafft damit eine Folie, vor der man Dante erneut lesen kann, denn daß die Commedia dies wert ist, daran läßt Borges keinen Zweifel. Im Gegenteil, er erklärt mit Enthusiasmus, niemand habe das Recht, sich der Freude an der Commedia zu berauben (S. 138).
    Metaphern
    Personen, die bei Dante auftreten, haben oft schon ein Vorwissen von ihrem Gegenüber. Es ist Traumwissen, dessen Entstehen nicht erklärt werden muß, denn wir befinden uns in einer Traumdichtung. Sie haben ein poetisches Wissen, dessen kausalen Werdegang auch den Leser nicht interessiert (S. 27). Nur muß er sich der Vision mit poetischem Glauben öffnen (S. 118). Nicht als sei der Schriftsteller Dante ein Träumer; er ist von raffinierter Intellektualität, und dies zeigt Borges an einigen Metaphern Dantes. Während es Mandelstam darum ging, die Metaphern Dantes als unbehauenes Sprachgestein zu zeigen, wählt Borges andere Metaphern, um ihre intellektuelle Virtuosität als ihre Schönheit herauszuheben.
    Im 25. Gesang der Hölle umschlingt eine Schlange einen Menschen. Die Schlange verwandelt sich in einen Menschen und ein Mensch in die Schlange. Dante beschreibt diese Metamorphosen metaphorisch durch den Vergleich mit einem Blatt Papier, das von Feuer zerstört wird, aber eine Weile noch weiße Teile hat: Die braune Farbe steigt aufwärts, noch ist es nicht schwarz, aber das Weiß stirbt (Inf. 25, 62) . Borges bewundert die Genauigkeit dieses Vergleichs, der unvergleichlich präziser sei, als wenn es in Liebesgedichten heißt, das Haar der Geliebten sei ›golden‹ (S. 14–15).
    In der Dunkelheit des siebten Höllenkreises sind Menschen schwer zu erkennen. Die Verdammten strengen sich an, Dante zu sehen, und kneifen dabei die Augen zu. Dante vergleicht ihren Gesichtsausdruck mit dem von Wanderern, die in der Neumondnacht gefährliche Gestalten wahrnehmen, oder mit dem eines alten Schneiders, der beim Einfädeln die Augen zusammenpreßt. Sie kniffen die Augenbrauen zu uns hin zusammen wie ein alter Schneider vorm Nadelöhr (Inf. 15, 19) .
    Oder einfacher noch: Dante bezeichnet einen optischen Eindruck mit einem Verb aus dem Bereich des Gehörs. Der Wanderer zieht sich zurück in den Schatten, wo die Sonne schweigt (Inf. 1, 60) . Raffinierter ist die Metapher, mit der Dante die Schnelligkeit beschreibt, mit der er in die Mondsphäre aufgenommen worden ist: Und wie ein Pfeil in einem einzigen Augenblick auftrifft, losfliegt und vom Bogen abschwirrt, so sah ich mich dort angekommen, wo Erstaunliches meinen Blick an sich zog (Par. 2, 23–25) . Dante dreht die Abfolge des Vorgangs um. Er nennt zuerst das Auftreffen, dann das Losfliegen, zuletzt das Abschwirren, um die Schnelligkeit oder vielmehr Zeitlosigkeit zu verdeutlichen. Die Metapher eint, wie Mandelstam bemerkt, die Zeitmomente, die im irdischen Leben auseinander liegen (S. 115).

    Borges liebt solche Einzelheiten. Er nennt einzelne Verse, die ihm nicht aus dem Sinn gehen, wie den am Anfang des Purgatorio , wo er, befreit von Dunkelheit und Gestank der Hölle, die neue Luft sieht (S. 115). Sie war ihm (Purg. 1, 13)
Dolce color d’oriental zaffiro ,
Von der süßen Farbe des orientalischen Saphir.
    Borges zeigt Einzelheiten; er vermeidet vage Lobreden. Aber er widmet sich auch den großen Gesängen von Ugolino (S. 40) und von Ulisse (S. 132–137). Vor allem die Figur des Odysseus beschäftigt ihn. Dante läßt ihn

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