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Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Titel: Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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weitergelaufen bin. Ich habe nicht mitbekommen, wie sich die Sonne abgesetzt hat, noch wie der Abend bei Einbruch der Nacht immer finsterer blickte. Ich weiß nicht einmal, wie ich am Ende zu Sid Alis Garküche gekommen bin.
    Sid Ali schwenkt wie bei einer Zeremonie einen Fächer über seinem Grill. Um sich in Stimmung zu versetzen, zieht er in vollen Zügen den Rauch seiner Grillwaren durch die Nüstern ein und leckt sich die Lippen. Als er mich auf der Türschwelle stehen sieht, hält er inne, legt seinen Fächer zur Seite und wischt sich seine fleischigen Finger an der Schürze ab, auf der die Sauce unübersehbare Spuren hinterlassen hat.
    »Was! Dich gibt es auch noch!« ruft er aus und kommt wie eine Woge auf mich zugerollt.
    Er klatscht mir voll aufs Gesicht, und ich gehe unter der Wucht seiner Zuneigung in die Knie. Der Geruch verbrannten Fleisches, der von ihm ausgeht, verschlägt mir den Atem.
    »Bist du sauer auf mich? Du läßt dich ja überhaupt nicht mehr blicken!«
    »Ist auch besser so.«
    Er runzelt die Stirn. »Warum sagst du denn so einen Mist?«
    »Scheint, daß meine Visage zum Heulen ist.«
    »Na und? Freunde sind doch nicht nur zum Feiern da.«
    »Mein Vater hat mir geraten, meine Freude mit anderen zu teilen und meinen Kummer für mich zu behalten.«
    »Da war er im Irrtum.«
    Er tritt zurück, blickt mich abwägend an, drückt mir einen Finger in die Wampe. »Du siehst aus wie ein geschrumpfter Gummiball«, stellt er fest, während er mir einen Stuhl zurechtrückt. »Bist du auf dem Sprung oder willst du was essen?«
    »Beides.«
    »Ich mache in einer knappen Stunde den Laden dicht. Was hältst du davon, wenn du bei uns zu Hause zu Abend ißt? Die Kinder werden sich freuen, dich wiederzusehen.«
    »Laß gut sein. Mir ist nicht danach. Und außerdem kreuzt gleich Lino hier auf. Mach mir ein halbes Dutzend Merguez mit massig Senf und schreib an, ich bin total abgebrannt.«
    Er kümmert sich um zwei Kunden hinten im Raum und kommt wieder nach vorne geschlurft.
    »Wo warst du denn die ganze Zeit?«
    »Du weißt noch gar nichts?«
    Er zieht einen Flunsch. »Mir sagt ja keiner was.«
    »Sie haben mir meine Dienstmarke weggenommen.«
    Er weicht sekundenlang meinem Blick aus, kratzt sich am Schädel und läßt sich auf den Stuhl neben mir plumpsen. »Ach …!«
    »Scheint dich nicht sonderlich zu überraschen.«
    Er macht eine undefinierbare Handbewegung. »Ich habe zwar nur eine Garküche und bin nicht sonderlich gebildet, aber das heißt noch lange nicht, daß ich einen Fußball zwischen den Schultern sitzen habe. Wozu letztlich der Krieg gegen die fundamentalistischen Bösewichte, wenn nicht, um einen Krieg gegen die fundamental Guten auszulösen? Du bist weder der erste noch der letzte, den es erwischt. Um die Wahrheit zu sagen, ich sprech lieber nicht darüber. Ich habe mich die ganzen letzten Jahre über so sehr ausgekotzt, daß ich heute nicht mehr auf den Topf brauche. Und außerdem, bei deinem Alter, was hast du dir denn vorgestellt? Daß sie dir die Uniform gleich mit wegnehmen?«
    Er legt seinen resignierten Tonfall ab und stößt mir den Ellenbogen in die Seite. »Los, lächle mal. Kennst du den schon? Wie nennt man ein Känguruh, das nicht zurückkommt?«
    »Wenn du einen Bügel meinst, bist du echt der letzte Trottel.«
    Er schmeißt sich mit einem Stehaufmännchenlachen nach hinten und läßt seine Speckfalten tanzen. »Kanntest du den schon?«
    Zehn Minuten später lädt er ein ramponiertes Tablett voller Fleischspießchen, Zwiebelscheiben, Pepperoni und Brot nebst einem Krug mit einem absolut widerwärtigen, selbstgebräuten Gesöff vor mir ab und quetscht sich mir gegenüber auf die Bank, das Gesicht in die Hände vergraben, um mir beim Mampfen zuzusehen.
    »Irgendwelche Pläne?«
    »Erstmal meine Pechsträhne überwinden.«
    »Also bitte, trag bloß nicht so dick auf. Davon geht doch die Welt nicht unter. Es gibt auch noch was anderes als die Polente im Leben. Hast du nicht längst genug, nach all den Jahren? Mach mir die Freude und zieh einen Strich unter dieses Kapitel. Es bringt eh nichts, die Welt verbessern zu wollen. Sie ist, wie sie ist. Der Messias persönlich würde sie nicht ändern können. Der Beweis? Er will erst am allerletzten Tag wiederkommen. Ist ja nicht so, daß ich dich nicht verstehen könnte. Du steckst den Kopf in den Sand. Du bist nicht der Anwalt der Armen und noch weniger der Rächer der Enterbten, den der Himmel uns schickt. Du bist ein kleiner

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