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Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Titel: Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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möchte man auffallen. Ein roter Wagen, immer derselbe, immer so geparkt, daß man ihn nicht übersehen kann … Man will mir Angst einjagen.
    Wollte man mich umlegen, würde man es anders anstellen.
    Am achten Tag kreuzt er in meinem Rückspiegel auf. Diesmal ist es zuviel. Ich fahre in eine Vorstadtsiedlung, lasse meine Karre in einem Hinterhof stehen, verschwinde in einem Hochhaus und gelange auf der gegenüberliegenden Seite durch den Notausgang wieder ins Freie. Ich umrunde zwei Wohnblocks und pirsche mich von hinten an.
    Der rote Wagen steht in einer menschenleeren Seitenstraße, zweihundert Meter von meinem entfernt. Ich schleiche auf Zehenspitzen näher, immer eng an der Mauer entlang, die Hand unter der Jacke.
    »Keine Bewegung!« brülle ich und reiße die Fahrertür auf, die Pistole im Anschlag.
    Der Typ rührt sich nicht. Er ist über dem Lenkrad zusammengesunken, mit hängenden Armen und hervorquellenden Augen. Jemand ist mir zuvorgekommen, hat ihm den Hals umgedreht.
     
    Am selben Abend stolpere ich, verstört vom Lauf der Ereignisse, über einen jungen Mann auf meinem Treppenabsatz. Er ist schmutzig und zerlumpt, hat ein Faunsgesicht und einen Dreitagebart. Ich habe ihn nie zuvor hier in der Umgebung gesehen. Ohne lang zu überlegen, stürze ich auf ihn und drücke ihm meine 9mm-Pistole gegen die Schläfe.
    »Onkel Brahim!« schreit Fouroulou und kommt die Treppe heruntergerast. »Das ist mein Cousin.
    Er ist ein bißchen zurückgeblieben.«
    Da ist er, so will mir fast scheinen, nicht der einzige.
    Ich lasse ihn laufen und verkrieche mich in meinem Bau.
     
    9
     
    Seit einer Stunde sitze ich schon hier und beobachte durch die Fensterfront eines Teesalons die schlafwandelnde Menschenmenge, die um die Hauptpost herum wogt, ohne auch nur ein bekanntes Gesicht zu entdecken. Die Leute kommen und gehen in heftigen Brandungswellen und merken gar nicht, daß sie einander anrempeln. In ihrem Blick, dem Blick von Schiffbrüchigen, taucht nicht die kleinste Insel auf. Die Gefahr, die ihnen schon hinter der nächsten Biegung auflauern kann, scheint sie nicht im mindesten zu beunruhigen. Letzte Woche ist hundert Meter von hier eine Autobombe hochgegangen. Die zerfetzten Körper konnte man hinterher mit der Handschaufel auflesen. Kaum waren die Feuerwehrsirenen verstummt, ging das Leben weiter, als wäre nichts passiert. Wenn der Tod erst einmal zum Alltag gehört, wird er zur Randerscheinung unter Randerscheinungen. Verdächtig wirkt allenfalls die Ruhe, die auf ihn folgt.
    Mir gegenüber sitzt eine grellgeschminkte Dame und macht mir schöne Augen. Sie klammert sich an ihr Glas Zitronenlimonade, als wär’s das Leben selbst, doch auf ihrem Gesicht ist eine Falte, die nicht täuscht. Diese Frau ist allein, sie sucht einen Freund. Sie spürt meine Einsamkeit, darum zeigt sie Mitgefühl.
    »Hätten Sie wohl eine Zigarette für mich?«
    Ehe meine Hand in der Hosentasche nachforschen kann, verläßt sie schon ihren Tisch und kommt zu mir herüber, ihr Glas wie eine Trophäe in der Faust.
    »Ich warte auf jemanden«, informiere ich sie.
    »Wir alle warten auf jemand, wir wissen nur nicht auf wen.«
    Sie zieht eine Zigarette aus der Packung, die ich ihr reiche, und dreht sie zerstreut zwischen ihren knochigen Fingern hin und her. Sie lächelt, aber es ist ein trauriges Lächeln.
    »Ich beobachte Sie schon seit einiger Zeit«, bekennt sie.
    »Um ehrlich zu sein, ich hab’s gleich gemerkt.«
    »Sie mußten annehmen, daß ich Sie anmachen wollte.«
    »Oh, das wäre zuviel der Ehre.«
    Sie wühlt in einer armseligen Handtasche, befördert ein Wegwerffeuerzeug zutage, zündet die Zigarette an und wendet sich ab, um den Rauch auszuatmen.
    »Ich bin keine Nutte.«
    »Habe ich auch nicht gesagt.«
    »Aber gedacht … Ich sehe zwar so aus, aber ich bin keine Prostituierte, Monsieur Llob. Ich habe einen Beruf, der dem Laster ähnlich ist. Man raucht, man schläft manchmal außer Haus, aber man geht nie auf Kundenfang.«
    »Kennen wir uns?«
    Sie läßt die Hand kreisen, als imitiere sie den Flug eines Schmetterlings: »Wir kannten uns mal. Sie betrachtet sinnierend das rotglühende Ende ihrer Zigarette. »Wir haben sogar einmal ein ganzes Wochenende lang zusammengearbeitet.«
    »Sie sind von der Polizei?«
    »Nicht direkt: Ich bin Journalistin … naja, ich war es mal.«
    Ich suche in ihren zerquälten Zügen nach einem Detail, das meine Erinnerung auffrischen könnte, versenke mich in ihren Blick. Nirgends in meinen

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