Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären
demoralisiert. Dein Leutnant hat seine Versetzung beantragt. Ich habe einen Kommissar in die Zentrale abgeordnet. Da geht es zu wie im Sterbehaus. Sogar dein Direktor hat um eine Audienz ersucht, damit du wieder zurückkommst.«
Ich bitte um Erlaubnis zu rauchen.
Er bewilligt es mir.
»Bin tief gerührt«, sage ich, während ich ihm den Rauch ins Gesicht blase. »Im Gegenzug muß ich jetzt Wohlverhalten an den Tag legen, nehme ich an.«
Er kommt hinter seinem Schreibtisch hervor. Ein entscheidender Augenblick. Er verschränkt geziert beide Hände unter seinen Lippen und richtet seinen scharfen Blick auf mich. Lastendes Schweigen macht sich breit, nur ganz leise von den Geräuschen unterlegt, die gedämpft vom Souk hochdringen.
»Bevor du mir antwortest, nimm dir Zeit und denk nach. So sensibel und impulsiv wie du bist, ziehe ich es vor, zur Not eine ganze Woche auf deine Antwort zu warten. Um Himmels willen, Brahim, sag bloß nicht sofort etwas. Nimm alles in dich auf und gehe nach Hause, denk drüber nach. Laß es gut sein für heute.«
»Ich bin bereit.«
Er atmet tief durch, tupft sich nervös den Schweiß mit einem Taschentuch ab. Man könnte meinen, seine Karriere, sein Vermögen, sein ganzes Schicksal hingen von meiner Entscheidung ab.
»Du mußt öffentlich anerkennen, daß du dich geirrt hast, daß dein Buch eine unglückselige Unternehmung war, Ausfluß einer schwierigen Phase … Ich bitte dich, sag jetzt nichts. Das ist doch alles halb so schlimm. Man verlangt doch nichts Unmögliches von dir. Eine kurze Erklärung für die Presse, ohne großes Tamtam. Wenn du willst, kannst du auch ins Fernsehen. Noureddine Boudali ist bereit, dich in seiner Sendung zu begrüßen. Das ist ein Profi, der richtet dir alles nach Wunsch. Es reichen schon zwei Worte, Brahim, zwei elende Worte: Ich bedaure …«
Diesmal ist das Schweigen total. Fast kann man das Blut in Hadis Schläfen pochen hören. Selbst die Geräusche vom Souk sind verstummt. Hadi Salem schwimmt in seinem Schweiß. Sein Taschentuch ist triefnaß.
Ich drücke meine Zigarette im Aschenbecher aus und stehe auf. Hadi Salem klebt mir an den Lippen, mit flehendem, verzweifeltem Blick.
Alles, was ich sage, ist: »Ich bedaure nur eines: überhaupt hierher gekommen zu sein.«
Da gerät er in Bewegung. Seine Angst verwandelt sich schlagartig in Wut. Seine Pupillen, die einen Moment lang glasig wirkten, glühen auf in Haß. Er stützt sich auf den Schreibtisch, lehnt sich weit im Sessel zurück und betrachtet mich eindringlich, ehe er hervorstößt: »Wenigstens werde ich ein ruhiges Gewissen haben.«
Ich brauche keine Nachhilfe, um zu begreifen, was er damit andeuten will.
Es ist ein roter Wagen mit getönten Scheiben. Und einer breiten Schramme am rechten Seitenflügel. Ich glaube, ich habe ihn heute morgen schon mal gesehen, er parkte gegenüber der Werkstatt, aus der ich meine alte Karre abgeholt habe. Mit einem Schatten drin, der sich vage bewegte. Ich habe nicht weiter darauf geachtet.
Und jetzt ist er wieder da, der Wagen, an der Ecke ist er geparkt, mit zwei Reifen auf dem Gehweg und zweien im Rinnstein.
Ich verziehe mich ins erstbeste Cafe.
»Kann man hier mal telefonieren?« frage ich.
»Die Post ist auf dem Platz draußen«, entgegnet der Inhaber.
Er wienert wie wild den Tresen blank, direkt vor meiner Nase. »Sind Sie krank?« fragt er mich. »Nicht direkt.«
Er sieht mich von der Seite an: »Sie sind bleich, und Ihre Hände zittern.«
»Vielleicht eine Erkältung.«
»Bei dieser Hitze?«
Er traut mir nicht über den Weg. Kein Wunder, bei all den Bomben Marke Eigenbau, die manch einer gern gut getarnt unterm Tresen vergißt.
Ein Hüne taucht im Türrahmen auf. Hinter seinen Rausschmeißer-Schultern verschwindet der Raum im Schatten. Im Schutz seiner Sonnenbrille wendet er den Kopf erst nach rechts, dann nach links, mustert mich eingehend und gibt dann die Tür wieder frei, wodurch sich ein ganzer Lichtschwall in den Raum ergießt.
»Was darf es sein?«
»Mineralwasser.«
Ich erfrische mich unter dem immer ängstlicheren Blick des Inhabers, bezahle und setze meinen Weg fort.
Draußen wimmelt es nur so von Menschen. Der rote Wagen hat sich in Luft aufgelöst.
Zwei Tage später liegt er wieder auf der Lauer, am Boulevard Mohamed V. Gerade beschließe ich, der Geschichte ein für allemal auf den Grund zu gehen, da verschwindet er mit lautem Getöse um die nächste Kurve.
Das Spielchen dauert eine Woche an. Offensichtlich
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