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Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Titel: Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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Handbewegung.
    „Ich habe zwar nur eine Garküche und bin nicht
    sonderlich gebildet, aber das heißt noch lange
    nicht, daß ich einen Fußball zwischen den Schul-
    tern sitzen habe. Wozu letztlich der Krieg gegen
    die fundamentalistischen Bösewichte, wenn nicht,
    um einen Krieg gegen die fundamental Guten aus-
    zulösen? Du bist weder der erste noch der letzte,
    den es erwischt. Um die Wahrheit zu sagen, ich
    sprech lieber nicht darüber. Ich habe mich die gan-
    zen letzten Jahre über so sehr ausgekotzt, daß ich
    heute nicht mehr auf den Topf brauche. Und au-
    ßerdem, bei deinem Alter, was hast du dir denn
    vorgestellt? Daß sie dir die Uniform gleich mit
    wegnehmen?“
    Er legt seinen resignierten Tonfall ab und stößt
    mir den Ellenbogen in die Seite. „Los, lächle mal.
    Kennst du den schon? Wie nennt man ein Kängu-
    ruh, das nicht zurückkommt?“
    „Wenn du einen Bügel meinst, bist du echt der
    letzte Trottel.“
    Er schmeißt sich mit einem Stehaufmännchenla-
    chen nach hinten und läßt seine Speckfalten tanzen.
    „Kanntest du den schon?“
    Zehn Minuten später lädt er ein ramponiertes
    Tablett voller Fleischspießchen, Zwiebelscheiben,
    Pepperoni und Brot nebst einem Krug mit einem
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    absolut widerwärtigen, selbstgebräuten Gesöff vor
    mir ab und quetscht sich mir gegenüber auf die
    Bank, das Gesicht in die Hände vergraben, um mir
    beim Mampfen zuzusehen.
    „Irgendwelche Pläne?“
    „Erstmal meine Pechsträhne überwinden.“
    „Also bitte, trag bloß nicht so dick auf. Davon
    geht doch die Welt nicht unter. Es gibt auch noch
    was anderes als die Polente im Leben. Hast du
    nicht längst genug, nach all den Jahren? Mach mir
    die Freude und zieh einen Strich unter dieses Kapi-
    tel. Es bringt eh nichts, die Welt verbessern zu
    wollen. Sie ist, wie sie ist. Der Messias persönlich würde sie nicht ändern können. Der Beweis? Er
    will erst am allerletzten Tag wiederkommen. Ist ja
    nicht so, daß ich dich nicht verstehen könnte. Du
    steckst den Kopf in den Sand. Du bist nicht der
    Anwalt der Armen und noch weniger der Rächer
    der Enterbten, den der Himmel uns schickt. Du bist
    ein kleiner Funktionär, bestenfalls eine Handvoll
    Groschen wert. Du machst deinen Job und ab in die
    Federn, aus und basta. Ich sage ja nicht, daß es
    dich nichts anginge, oder daß man noch nicht mal
    den kleinen Finger rühren sollte. Ich sage nur, daß es nicht ratsam ist, über den eigenen Hintern hinaus zu furzen. Worauf es ankommt, ist, daß man
    keine krummen Dinger dreht. Und du, hast du je
    ein krummes Ding gedreht? Nie im Leben. Wenn
    die anderen es tun, was geht’s dich an? Vor dem
    Herrgott steht jeder mit seinem Gewissen allein.“

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    „Sid Ali, um Himmels willen, siehst du nicht,
    daß ich esse?“
    „Ißt du neuerdings vielleicht mit den Ohren? Und
    außerdem, wie soll ich bitte schön den Mund hal-
    ten, wenn du die ganze Zeit über kein Wort von dir
    gibst?“

    * * *

    Lino hat seinen Zopf abgeschnitten. Er hat sich die Schläfen ausrasieren und die Strähne auf der Stirn
    eindrehen lassen. Zum Ausgleich hat er seit unse-
    rem letzten Treffen die Bartstoppeln stehen lassen.
    Mit seinem Tropenhemd, seiner an den Knien ab-
    gewetzten Jeans und seinen falschen Markenturn-
    schuhen sieht er aus wie ein Luppy vom Lande, der
    frisch in der Großstadt eingetroffen ist.
    Er winkt lässig zu Sid Ali hinüber und macht mir
    Zeichen, zu ihm zu kommen.
    Hinter ihm steht Ewegh Seddig und hat die Stra-
    ße fest im Blick. Seine Kolossalstatur verdeckt fast das Auto. Die Arme über der Brust verschränkt, die
    Beine fest in den Boden gerammt, beherrscht er
    den Gehweg so undurchdringlich wie seine
    schwarze Sonnenbrille. Einmal habe ich ihn ge-
    fragt, warum er nachts eine Brille trägt, die eigentlich als Schutz vor der Sonne gedacht ist. Um die
    anderen vor seinem Blick zu schützen, hat er ge-
    sagt.
    Ich wische mir Mund und Hände mit einem Lap-
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    pen ab und sprinte zum Auto. Lino setzt sich ans
    Steuer. Eweghs Blick sucht die Gegend ab, ehe er
    sich auf die Rückbank zwängt.
    „Wie geht’s denn so?“ frage ich ihn.
    „Hmmm …“
    Lino chauffiert uns bis hinter Bab El-Oued, vor-
    bei am Platz des 1. Mai, und rast dann die Küsten-
    straße entlang, eine Hand am Steuer, die andere im
    offenen Fenster. Er schweigt. Ab und zu, um das
    Schweigen zu überwinden, tut er so, als interessie-
    re er sich für die Gaffer am Straßenrand, fixiert sie auch noch im Rückspiegel und hat sie ein paar

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