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Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Titel: Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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Bei-
    spiel den Muezzin und seinen Sohn erdolcht und
    sie kopfüber am Eingang der Moschee aufgehängt.
    Du erinnerst dich sicher noch an Haj Boudjemaa.
    Er hat zur Zeit der Besatzung an der Koranschule
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    von Igidher unterrichtet.“
    „Ich erinnere mich nicht an ihn.“
    „Er war sehr eng mit deinem Vater befreundet.“
    „An den erinnere ich mich auch nicht mehr.“
    „Schon möglich, du warst ja noch sehr jung …
    1995 sind sie dann wiedergekommen. Am Vor-
    abend vom Aïd* [* Aïd el-Kebir, das große Opferfest, wichtigstes muslimisches Fest] , kannst du dir das vorstellen? Sie haben die Häuser der ehemaligen Mu-
    dschaheddin** [** Gemeint sind die Kämpfer im algerischen Befreiungskrieg gegen die Franzosen (1954-1962)] in Brand gesetzt und Amrane und seine Familie in der
    Gesundheitsstation verbrannt. Du erinnerst dich
    doch noch an Amrane, den Pferdehändler?“
    Arezki schneidet eine ausweichende Grimasse.
    Der Imam runzelt die Brauen: „Du erinnerst dich
    nicht an Amrane?“
    „Es tut mir wirklich leid.“
    „Ich hoffe, daß du dich wenigstens an mich erin-
    nerst?“
    Arezki blickt zu Boden: „Ich bin sehr früh von
    hier fort.“
    Der Imam ist enttäuscht.
    „Warum haben sie ihn verbrannt?“ frage ich
    nach.
    Der Imam wendet die offenen Handflächen zum
    Himmel. „Wer weiß das schon? An Amrane war
    nichts Besonderes, er war unauffällig, fast nichts-
    sagend als Person. Wenn ihr mich fragt, sie haben
    ihm vermutlich vorgeschlagen, eine gestohlene

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    Viehherde auf dem Souk abzusetzen, und er hat
    nicht mitgemacht.“
    Wir kommen beim Haus der alten Taos an. Sie
    empfängt uns im Innenhof ihres ärmlichen Ge-
    höfts, den sie üppig mit Teppichen und alten Kis-
    sen ausgelegt hat, und lädt uns ein, uns an den
    Tischchen niederzulassen, die rund um einen Jo-
    hannisbrotbaum aufgestellt sind.
    „Lalla* [* „Gnädige Frau“, „Madame“: übliche Anrede für ältere Damen] “, murmelt der Imam mit begehrli-chem Blick auf das ‚Festmahl’, „wir sind zutiefst
    betrübt, dich noch ärmer zu machen.“
    „Mein guter Imam“, unterbricht sie ihn, „du hast
    schon deine liebe Not, mich am Freitag in der Mo-
    schee zu beschwatzen, da wirst du mir doch nicht
    heute unter meinem eigenen Dach was vormachen
    wollen!“
    Der Imam lacht leutselig und macht sich daran,
    ein Plätzchen in den Reihen der Alten zu suchen.
    Lalla Taos ist die ältere Schwester von Da A-
    chour. Die Last des Alters scheint ihr nicht das
    Geringste anzuhaben. Von der Höhe ihrer sechs-
    undachtzig Jahre herab hat sie nach wie vor alles
    fest im Griff, robust und klarsichtig, und ihre Be-
    wegungen sind so flink wie ihr Mundwerk, aus
    dem mitunter herrlich frivole Scherze sprudeln. Sie ist witzig und voll Temperament, hat Autorität,
    ohne autoritär zu sein, und alle Welt liegt ihr zu
    Füßen. Sie steht aufrecht im Sturm wie die Eiche
    neben einem Marabout: Die Mühlen des Alltags,
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    die sie aufreiben könnten, die Sorgen und Plagen,
    die an ihr zehren wollen, werden nie bis zu ihrer
    Seele vordringen. Sie hat ein Jahrhundert voller
    Umwälzungen, hat die verheerendsten Epidemien
    und die Trauer um den Verlust ihrer Nächsten mit
    seltener Gefaßtheit überlebt und scheint durch die
    Wechselfälle des Lebens hindurchzugleiten wie die
    Nadel durch den Stoff. Für sich allein verkörpert
    Lalla Taos die ruhige Stärke der unwandelbaren
    Kabylei.
    Ich küsse sie aufs Haupt.
    Sie umschlingt mich mit ihren mageren Armen
    und weicht ein wenig zurück, um mich anzusehen:
    „Was soll jetzt aus dir werden, Brahim, ohne dei-
    nen alten Freund?“
    Sie bangt mehr um mich als um den Entschlafe-
    nen.
    Sie war es, die mich aufgezogen hat. Ich war ihr
    Augapfel. Meine Streiche heiterten sie auf, meine
    schlechte Laune betrübte sie. Sie liebte mich so
    sehr, daß sie nicht zögerte, tagtäglich den steilen Hügel hochzuklettern, um meine Mutter aufzufor-dern, mich in Ruhe zu lassen, wenn ich mich wie-
    der über sie geärgert hatte.
    „Er war ein Heiliger“, antworte ich ihr.
    „Um ihn mache ich mir keine Sorgen. Er war an-
    ständig. Garantiert genießt er da oben jetzt schon
    das süße Leben. Manchmal hat er sich zwar wie ein
    schlimmer Schlingel aufgeführt, aber Burschen wie
    er haben sich im großen und ganzen nicht viel vor-

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    zuwerfen. Der liebe Gott wird ihm höchstens die
    Ohren langziehen, um da oben keinen Neid auf-
    kommen zu lassen, und ihn dann für den Rest der
    Ewigkeit in Ruhe lassen … Gedanken

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