Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
setzte sich ihr gegenüber.
André Ugo. Einer von Madame Roches potenziellen Heiratskandidaten.
Zugegeben: Er hatte was. Ugo trug einen sandfarbenen Anzug, der dunkle Vollbart war gepflegt. Blaugraue Seidenkrawatte. Hellblaues Hemd, das seine Gesichtszüge und die blauen Augen unter den schwarzen Brauen umso markanter wirken ließ.
»Paul hat es mir bereits gesagt. Ich bin zutiefst erschüttert. Julie war meine Schutzbefohlene, so habe ich es immer gesehen. Und was immer Sie auch benötigen, Madame, an Hilfe, Informationen, ich stehe Ihnen zur Verfügung. Dieses Schwein muss gefunden und bestraft werden.«
Schutzbefohlene? Hallo, Rolle zwei: Jungfrau in Nöten. Julie, diese Männer haben dich offenbar »kleinhalten« wollen.
»Ich danke Ihnen, Monsieur Ugo. Wann haben Sie Julie Roscoff zuletzt gesehen?«
»Oh, gestern Abend, gegen halb acht, acht Uhr vielleicht. Sie schaute nur kurz herein, Paul war an der Rezeption. Ich kam oben aus den Suiten und habe sie beide reden hören. Pardon, ich habe Julie also gar nicht gesehen. Nur gehört.«
»Hatte Julie einen Freund, den sie besucht haben könnte?«, fragte Zadira.
»Ich denke nicht«, antwortete Ugo.
»Und Liebhaber?«
Ugo legte die Beine übereinander, zog dabei sorgfältig den Stoff der Anzughose ein Stück nach oben.
»Wann sollte sie die denn gehabt haben?«
»Sagen Sie es mir.«
»Gar nicht. Von fünf bis sechzehn Uhr arbeitet die erste Schicht, die zweite von sechzehn Uhr bis open end. Jeweils zwei kurze Pausen. Ein Tag und einen halben frei. Glauben Sie nicht, dass das einem Mann zu wenig ist?«
»War Julie beliebt bei den männlichen Gästen?«
Ugo lehnte sich zurück, verschränkte die Arme.
»Madame Lieutenant. Erstens sind wir nicht so ein Haus, und zweitens ist … war Julie nicht so eine.«
»So eine was?«
»Sie war kein leichtfertiges Mädchen.«
Wie man sieht.
»Und was haben Sie den gestrigen Abend über gemacht, Monsieur Ugo?«
Ugos Mundwinkel zuckten. »Die Gäste des Châteaus legen Wert auf meine Gegenwart und die Angestellten auf ihren Feierabend. Ich war hier, die ganze Nacht. Wollen Sie andeuten, dass ich …?«
»Ach, wissen Sie, ich bin kein Typ fürs Andeuten. Ich würde es ehrlich sagen, was ich Ihnen unterstellen würde.«
Sie vermaßen einander mit Blicken. Sein Lächeln erreichte nicht seine Augen, das ihre auch nicht.
Dieser Mann besaß ein völlig anderes Format als Paul. Er wollte sein Haus schützen, seinen Ruf. Er würde darum nicht zögern zu lügen, auch nicht über Julie.
»Ich werde mir jetzt Julies Zimmer ansehen. Und nach der Mittagsschicht werde ich mit allen Angestellten sprechen.«
»Was? Ist das wirklich nötig?«
»Natürlich. Gibt es da Ihrerseits nachvollziehbare Bedenken?«
»Ich verstehe«, wandte sich Ugo mühsam gedämpft an Zadira, »dass alles, was den Mord an Julie angeht, Vorrang haben muss. Aber mein Haus hat Standards. Sehen Sie eine Möglichkeit, dass Sie hier dezent vorgehen können?«
»Dezent? Aber selbstverständlich, Monsieur Ugo.«
Natürlich musste sie es ihm nicht unnötig schwermachen. Die Anwesenheit der Polizei war für ein Hotel dieser Kategorie sicher sehr störend.
»Ich bin Ihnen sehr verbunden, Lieutenant. Am Nachmittag ist unsere Hausbar noch geschlossen. Sie können sie nutzen. Wir stellen einen Paravent davor, aber ich wäre Ihnen wirklich sehr dankbar, wenn …«
Zadiras Telefon vibrierte.
»Schön. Ich nehme die Bar«, teilte Zadira dem jetzt nicht mehr ganz so wohlwollenden Geschäftsführer mit und ging über die Terrasse bis zu der Brüstung, über die sie in den Garten schauen konnte. Dort nahm sie das Gespräch an. Es war der Sergeant. Er hatte den Besitzer von Haus Nummer 9 gefunden. Oder war zumindest nah dran. Es war eine Société Civile Immobilière, kurz SCI genannt, mit Sitz im 8. Arrondissement von Paris. Diese private Immobiliengesellschaft hatte das Haus vor fünfzehn Jahren gekauft.
»Und wer steckt dahinter?«
»Ich weiß es nicht.«
»Wieso nicht?«
»Na ja. Ich hab erst mal in der Grundsteuerregistratur die Karteinummer gesucht, sie den Flurgemarkungen zugeordnet, sogar mit der Sekretärin des Notars geflirtet, was nicht einfach war. Wissen Sie, die Babette, die …«
»Sie sind mein Held, Brell. Aber muss ich diese Details alle wissen, bevor Sie mir sagen, was Sie nicht wissen?«
»Das weiß ich doch nicht. Bon. Dann war da also diese SCI. Kein Name. Und als ich da anrief, wurde der Anruf weitergeleitet, hört man ja in der
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