Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
ging links hinter einem See in Deckung, rechts wartete ein Sandbunker auf nachlässig geschlagene Bälle.
Victorine genoss den kühlenden Fahrtwind, während sie das Golfcart lenkte. Es war kurz nach zehn Uhr vormittags, aber ungewöhnlich starke Hitze fraß sich bereits in das Land.
An Saumane hatte sie gute Erinnerungen. In der Nähe der Quelle der Sorgue, die in einer gewaltigen Grotte entsprang, hatten auch de Sades Gelüste ihren Anfang genommen: auf Schloss Saumane. Dort wuchs der junge Marquis Alphonse bei seinem Onkel, einem Geistlichen auf, der mehr an Sex als an Christus interessiert war. Unter dem Schloss verbarg sich ein vierstöckiges, in den Fels gehauenes Labyrinth mit fensterlosen Verliesen, in denen der Jugendliche seinen Onkel Abbé so manches Mal bei dessen geheimen Liebesspielen beobachtet hatte. Dieses Felsengefängnis zu besichtigen war nicht erlaubt – aber César hatte es trotzdem geschafft, eine Besichtigung zu arrangieren. Und noch mehr: Sie verbrachten einen wunderbaren Spieleabend dort, im Lichtschein von Fackeln, mit Natalie, Larissa und Jeanette in Fußeisen.
Victorine hielt jetzt das Cart neben César an. Wenn er nah an die Fahne kam, war ein Birdie drin, er würde fünf Lochgewinne vor Alexis liegen. Bei noch vier zu spielenden Bahnen uneinholbar.
Sie sah auf die Uhr. Ihr dienstbarer Geist müsste Julie bereits versorgt haben. Es würde dem Mädchen guttun, ein bekanntes Gesicht zu sehen. Victorine dachte an ihren ersten Morgen »danach«. Wie verwirrt sie damals gewesen war. Hin- und hergerissen zwischen Lust und Scham, zwischen der Ahnung, was Freiheit wirklich war, und dem Impuls, vor deren Größe zurückzuschrecken. Und gleichzeitig war etwas in ihr unendlich glücklich gewesen. Es war, als ob sie durch Schmerz und Angst einen Weg gefunden hätte, Liebe zu zeigen. Liebe zu fühlen. Als hätte sie endlich die jahrelange Einsamkeit und all die Traurigkeit über ihr graues Leben loswerden können. Sie war damals neu geboren worden.
Und Julie? Würde auch sie dem Labyrinth ihrer versteinerten Gefühle entkommen sein?
Es passierte, als César seinen Probeschwung ausführte. Sein Telefon, das er im Getränkehalter des Golfcarts deponiert hatte, blinkte und vibrierte. Eine unterdrückte Nummer.
Césars Leben ist voller unterdrückter Telefonnummern, dachte Victorine. Wie hatte er es mal halb scherzhaft, halb todernst ausgedrückt? »Wenn du wirklich wüsstest, was ich alles für wen in dieser Republik tue, dann müsste ich dich töten, chérie. «
Jetzt klingelte das Telefon laut, das Geräusch ließ César den Abschwung verreißen, der Schläger erwischte den Ball nur flüchtig und toppte ihn ins Wasser.
»Das ist aber schade«, höhnte Alexis.
Gleichmütig ging César zu Victorine, die ihm sein Smartphone entgegenhielt. Sie musste feststellen, dass sie so ein Modell noch nie gesehen hatte. Es sah irgendwie schussfest aus.
»Ja«, sagte César nur, als er das Gespräch annahm.
Victorine beobachtete, wie sich seine Miene nach wenigen Sekunden verhärtete.
»Ich verstehe. Was haben Sie bisher? … Ja … Verstehe … Und, haben wir jemanden hier unten? … Dann finden Sie es heraus!«
Er schob das Handy in seine Hosentasche. Dann zog er seine Handschuhe aus, setzte sich zu Victorine in das Golfcart und nahm eine kalte Flasche Perrier aus der Minibar.
»Was ist?«, rief Alexis. »Droppst du, oder spielst du einen zweiten Ball?«
»Du hast gewonnen«, teilte César ihm mit.
»Will jemand ein Gläschen Frigolet-Likör?«, fragte Phil, während er mit dem zweiten Golfcart näherkam.
César Alexandre sah von einem zum anderen, auf eine Art, die Victorine Gänsehaut verursachte, trotz der über dreißig Grad im Schatten.
Seltsamerweise lächelte César, als er sagte: »Das Mädchen ist tot. Sie wurde im Garten gefunden.«
»Wie bitte? Julie?«, fragte Victorine ungläubig, fast in der Hoffnung, dass César doch jemand anderen meinen könnte.
Er nickte. »Ja. Julie.«
Victorines Sichtfeld verengte sich schlagartig. Es war, als sackte sie in einem Fahrstuhl nach unten. Nein – als öffnete sich der Boden des Fahrstuhls unter ihren Füßen.
Herr im Himmel. Wir haben Julie vergiftet!
Alexis machte so etwas wie »Puh«, Philippe atmete schwer aus.
Oder sie hat sich umgebracht, vor Kummer. So wie damals auch …
Nein. Denk nicht an Lacoste.
»Hat sich die dumme Gans etwa erhängt?«, fragte Alexis.
»Mein Gott, Alexis!«, herrschte Victorine ihn an.
»Gut, dass ich den
Weitere Kostenlose Bücher