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Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe

Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe

Titel: Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Brunetti fand keinen Hinweis auf irgendwelche Mietzahlungen -, wenn sie in einer Wohnung lebte, die ihr gehörte.
    Dann fielen ihm winzige Nägel in den Wänden auf, Nägel, an denen keine Bilder mehr hingen. Zwei im Flur, jeweils mit einem Rechteck darunter, das sich ein wenig heller von der getünchten Wand abhob. In dem kleineren Schlafzimmer entdeckte Brunetti mit frisch geschärftem Blick ein weiteres Phantombild und den Nagel darüber.
    Sie beschlossen, erst einmal nach oben zu gehen. Vianello klebte das Band, so gut es ging, wieder an, während Brunetti mit dem Schlüssel in der Hand wartete, um die Tür abzuschließen. Danach hielt er Vianello die Schlüssel hin und sagte: »Möchte wissen, wozu der dritte gehört.«
    »Vielleicht zu einem Lagerraum unten?«, schlug der Ispettore vor.
    Brunetti nahm die Treppe in Angriff. »Wir können Signora Giusti fragen.«
    Die Frau öffnete schon, während die beiden noch die letzten Stufen erklommen. »Ich habe Sie unten herumlaufen hören«, war ihre Begrüßung. Dann erst streckte sie die Hand aus und sagte ihnen guten Morgen. Sie schien weniger aufgeregt, und Brunetti stellte überrascht fest, dass sie jetzt auch nicht mehr so groß wirkte. Vielleicht weil sie entspannter war und die Schultern nicht mehr hochzog. Auch entsprach sie nun eher der Schönheit, die er in ihr zu sehen geglaubt hatte.
    [112]  Brunetti machte Signora Giusti mit Vianello bekannt, dann traten sie in die Wohnung, die Brunetti nicht weniger entspannt vorkam als Signora Giusti selbst. Auf dem Tisch im Wohnzimmer lagen zwei Tageszeitungen - von der einen war das Feuilleton aufgeschlagen, die andere offenbar schon gelesen und nachlässig zusammengefaltet. Daneben standen ein leeres Glas und ein Teller, auf dem Schale und Kerngehäuse eines Apfels sowie das Messer lagen, mit dem er geschält worden war. Die Sofakissen waren zerdrückt; eins lag auf dem Boden.
    Im vorderen Zimmer wurde Brunetti wieder von der dramatischen Szenerie gefangen genommen, wo aus dieser Höhe und diesem Blickwinkel die Kirche mit ihrer imposanten Apsis auf sie zupflügte. Zwei Sessel und ein Sofa standen so, dass man von dort aus die Kirche und den campo und die Berge dahinter im Blick hatte. Signora Giusti überließ ihnen die beiden Sessel und setzte sich ans Ende des Sofas; zwischen ihnen stand ein Tisch. Sie fragte gar nicht erst, ob sie etwas zu trinken haben wollten.
    Brunetti zog die Umschläge aus der Tasche und legte sie auf den Tisch. Signora Giusti sah kurz hin, machte aber keine Anstalten, sie an sich zu nehmen, dankte ihm nur mit einem ernsten Nicken. Brunetti hielt noch die Schlüssel in der Hand und reichte sie ihr jetzt. »An dem Bund, den Sie unten liegen gelassen haben, Signora, ist ein dritter Schlüssel. Könnten Sie mir sagen, wozu der gehört?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Ich habe sie das auch schon gefragt, als sie mir die Schlüssel gab. Ihre Antwort...« Sie schloss die Augen. »Ihre Antwort war ziemlich merkwürdig.« Vianello und Brunetti ließen ihr Zeit, sich zu [113]  erinnern. Schließlich sah sie auf und sagte: »Das sei ein sicherer Ort, einen Schlüssel aufzubewahren.«
    Sie schien genauso ratlos wie die beiden. »Nein, ich verstehe das auch nicht, aber so hat sie es gesagt: ein sicherer Ort.«
    »Wann hat sie Ihnen die Schlüssel gegeben, Signora?«
    Die Frage machte Signora Giusti stutzig, als habe der Commissario damit übernatürliche Fähigkeiten bewiesen. »Warum fragen Sie?«
    »Aus reiner Neugier«, sagte Brunetti. Da er nicht wusste, wie lange die beiden Frauen hier schon lebten, konnte er auch nicht ahnen, seit wann sie einander hinreichend vertrauten, um die Wohnungsschlüssel auszutauschen.
    »Ich hatte ihre Schlüssel seit Jahren, aber vor einer Woche wollte sie sie für einen Tag zurückhaben, angeblich, um Kopien anfertigen zu lassen.« Sie zeigte auf die Schlüssel, als könne man daran die Erklärung ablesen. Dann beugte sie sich vor, berührte sie und sagte: »Aber sehen Sie hier. Ein roter, ein blauer. Ganz billige Kopien, die kosten nicht mal einen Euro.«
    »Und?«, fragte Brunetti.
    »Warum sollte sie von denen Kopien machen lassen, wenn sie die Originale hat? Als sie sie mir zurückgab, war dieser dritte an dem Ring, und da hat sie das von dem sicheren Ort gesagt.« Sie suchte in den Mienen der beiden nach einem Hinweis, dass sie das genauso rätselhaft fanden wie sie selbst.
    »Hat sie gewusst, wo Sie die Schlüssel aufbewahren?«, fragte

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