Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
gesagt?«
»Nein. Ich bin selber drauf gekommen. Sie streitet es ab.
Sie streitet alles ab. Aber ich brauche einen sicheren Beweis,
den ich ihr ins Gesicht schleudern kann. Verstehst du?«
Anna hatte sich erboten, ihm diesen sicheren Beweis zu
liefern. Sie hatte sich so reingehängt, daß es ihr sogar
gelungen war, Bilder von der »romantischen« Szene im Wald
festzuhalten. Sie hatte sie von einer treuen Freundin, die beim
Erkennungsdienst arbeitete, vergrößern lassen und dem
Commissario gebracht. Ingrids Schwiegervater war nicht nur
Chefarzt im Krankenhaus von Montelusa, sondern auch ein
hochrangiger Politiker, und ins Parteibüro, ins Krankenhaus
und nach Hause hatte Montalbano ihm eine erste vielsagende
Dokumentation geschickt. Auf der Rückseite aller drei Fotos
stand nur: Wir haben dich in der Hand. Dieses Bombardement
hatte ihn offenbar zu Tode erschreckt, augenblicklich hatte er
Karriere und Familienleben in Gefahr gesehen. Der
Commissario behielt für alle Fälle noch zwanzig weitere Fotos
bei sich. Ingrid hatte er nichts erzählt, sie brach sonst
womöglich noch einen Streit vom Zaun, weil ihre schwedische
Privatsphäre verletzt worden war.
Montalbano gab Gas, er war zufrieden, denn jetzt wußte
er, daß die ausgeklügelte Strategie, die er in die Wege geleitet
hatte, Wirkung zeigte.
»Fahr du den Wagen rein«, sagte Montalbano, stieg aus
und machte sich am Rolladen der polizeieigenen Werkstatt zu
schaffen. Als das Auto drinstand, schaltete er das Licht ein
und ließ den Rolladen wieder herunter.
»Was habe ich zu tun?« fragte Ingrid. »Siehst du den
ramponierten Cinquecento da? Ich will wissen, ob die
Bremsen manipuliert waren.«
»Ich weiß nicht, ob ich das feststellen kann.«
»Versuch's.«
»Dann ist meine Bluse hin.«
»Ach ja, warte. Ich hab' was mitgebracht.«
Er nahm eine Plastiktüte von der Rückbank seines Autos
und zog ein Hemd und ein Paar Jeans von sich heraus.
»Zieh das hier an.«
Während Ingrid sich umzog, ging er auf die Suche nach
einer tragbaren Lampe, wie man sie in Werkstätten benutzt,
fand sie auf der Werkbank und schloß sie an. Wortlos nahm
Ingrid die Lampe, einen Engländer und einen Schraubenzieher
und schlüpfte unter das gestauchte Chassis des Cinquecento.
Sie brauchte nur etwa zehn Minuten. Staubig und voller
Schmieröl kam sie wieder unter dem Auto hervor.
»Glück gehabt. Die Bremsleitung wurde teilweise
gekappt, das steht fest.«
»Was heißt teilweise?«
»Daß sie nicht ganz durchgeschnitten wurde, sie haben
gerade soviel gelassen, daß er nicht sofort einen Unfall baute.
Aber beim ersten kräftigeren Zug mußte das Seil auf jeden
Fall reißen.«
»Bist du sicher, daß es nicht von allein gerissen ist? Das
Auto war alt.«
»Der Schnitt ist zu sauber. Da ist nichts ausgefranst oder
zumindest nur an einer winzigen Stelle.«
»Jetzt hör gut zu«, sagte Montalbano. »Der Mann, der am
Steuer saß, fuhr von Vigàta nach Montelusa, blieb eine Weile
dort und kehrte dann nach Vigàta zurück. Der Unfall passierte
auf der abschüssigen Strecke, kurz bevor man in den Ort
hineinfährt, auf der Catena. Er ist mit einem Lastwagen
zusammengeprallt und darunter steckengeblieben. Alles klar?«
»Alles klar.«
»Und jetzt frage ich dich: Wo haben sie dieses kleine
Werk deiner Meinung nach vollbracht, in Vigàta oder in
Montelusa?«
»In Montelusa«, sagte Ingrid. »Wenn sie es in Vigàta
gemacht hätten, hätte es ihn schon lange vorher erwischt,
bestimmt. Willst du sonst noch was wissen?«
»Nein. Vielen Dank.«
Ingrid zog sich nicht um, sie wusch sich nicht einmal die
Hände.
»Das mache ich bei dir zu Haus.«
An der Bar stieg Ingrid aus, holte ihr Auto und folgte dem
Commissario. Es war ein lauer Abend und noch nicht
Mitternacht.
»Willst du duschen?«
»Nein, ich gehe lieber schwimmen, danach vielleicht.«
Sie zog Montalbanos dreckige Klamotten und ihren Slip
aus: Der Commissario mußte sich ganz schön am Riemen
reißen, gleichzeitig in die ungeliebte Rolle des geistigen
Beraters zu schlüpfen.
»Los, zieh dich aus, geh mit!«
»Nein. Ich schau' dir lieber von der Veranda aus zu.«
Der Vollmond machte fast zuviel Licht. Montalbano lag
im Liegestuhl und genoß den Anblick von Ingrids Silhouette;
sie lief ans Meer und begann dann mit ausgebreiteten Armen
tänzelnd im kalten Wasser herumzuhüpfen. Er sah, wie sie
hineintauchte, folgte mit dem Blick noch eine Weile dem
kleinen schwarzen Punkt,
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