Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
der ihr Kopf war, und schlief dann
plötzlich ein.
Als er aufwachte, dämmerte schon der Morgen. Ein wenig
fröstelnd erhob er sich, machte Kaffee und trank drei Tassen
hintereinander. Ingrid hatte, bevor sie gegangen war, alles
saubergemacht, keine Spur war mehr von ihr zu sehen. Sie war
wirklich Gold wert: Sie hatte getan, worum er sie gebeten
hatte, und keinerlei Erklärung dafür verlangt. Was die
Neugierde anging, war sie jedenfalls nicht sehr weiblich. Aber
auch nur in diesem Punkt. Er verspürte leisen Appetit und
öffnete den Kühlschrank: Die milinciane alla parmigiana, die
er mittags nicht gegessen hatte, waren weg, die hatte Ingrid
sich stibitzt. Er mußte sich mit einem Stück Brot und einem
formaggino zufriedengeben, aber das war besser als gar nichts.
Er duschte und zog die Klamotten an, die er Ingrid geliehen
hatte; sie dufteten noch ganz leicht nach ihr.
Wie immer kam er zehn Minuten zu spät ins
Kommissariat: Seine Leute standen schon mit einem
Dienstwagen und dem von der Firma Vinti geliehenen Jeep
voller Schaufeln, Pickel, Hacken und Spaten bereit; sie sahen
aus wie Tagelöhner, die sich auf den Weg machten, um auf
dem Feld ihr Brot zu verdienen.
Der Crasto, der sich selbst nicht mal im Traum für einen Berg
halten würde, war ein ziemlich kahler Hügel, erhob sich
westlich von Vigàta und war keine fünfhundert Meter vom
Meer entfernt. Mitten hindurch führte ein Tunnel, der jetzt mit
Holzbrettern verschlossen war; der Tunnel sollte Teil einer
Straße sein, die aus dem Nichts kam und ins Nichts führte –
sehr nützlich für die Schöpfung nichtgeometrischer tangenti (∗
Schmiergelder). Sie hieß in der Tat Tangenziale. Einer
Legende nach verbarg sich im Berginneren ein crasto, ein
Widder, aus massivem Gold. Die Tunnelarbeiter hatten ihn
nicht gefunden, dafür aber diejenigen, die den Auftrag
ausgeschrieben hatten. Am Berg klebte, auf der dem Meer
abgewandten Seite, eine Art kleine Felsschanze, u
crasticeddru genannt: Bis hierher waren die Bagger und Laster
nicht gekommen, die Gegend war von einer eigenen wilden
Schönheit. Und genau dahin waren die beiden Autos gefahren
– über unwegsames Gelände, um nicht aufzufallen. Es war
schwierig, ohne Fahrweg vorwärts zu kommen, aber der
Commissario wollte, daß die Wagen bis an den Fuß des
Felssporns fuhren. Montalbano hieß alle aussteigen.
Es war kühl, ein schöner Morgen.
»Und jetzt?« fragte Fazio. »Schaut euch den Crasticeddru
an. Und zwar aufmerksam. Lauft ganz um ihn herum. Gebt
euch Mühe. Irgend wo muß der Eingang zu einer Grotte sein.
Wahrscheinlich ist er versteckt, mit Steinen oder Zweigen
getarnt. Augen auf! Ihr müßt ihn finden. Ich verspreche euch,
daß er da ist.«
Sie verteilten sich.
Zwei Stunden später kehrten sie entmutigt zu den Autos
zurück. Die Sonne stach vom Himmel, sie schwitzten, Fazio
hatte vorsorglich Thermosflaschen mit Kaffee und Tee
mitgebracht.
»Wir gehen noch mal los«, sagte Montalbano. »Ihr dürft
nicht nur den Felsen absuchen, ihr müßt auch auf den Boden
schauen, da könnte auch irgendwas sein, das irgendwie
auffällig ist.«
Sie machten sich von neuem auf die Suche, und eine
halbe Stunde später hörte Montalbano Galluzzo aus der Ferne
rufen.
»Commissario! Commissario! Kommen Sie, schnell!«
Der Commissario lief zu dem Beamten, der die Seite des
Felssporns untersucht hatte, die der Provinciale nach Fela am
nächsten lag.
»Da, schauen Sie.«
Man hatte versucht, die Spuren zu verwischen, aber an
einer Stelle war deutlich der Reifenabdruck zu sehen, den ein
großer Laster auf dem Boden hinterlassen hatte.
Galluzzo zeigte auf den Felsen. »Sie führen da rü...«,
wollte er sagen, als ihm der Atem stockte.
» Cristo di Dio!« rief Montalbano.
Wieso hatten sie das nicht gleich gesehen? Ein großer
Felsblock stand in einer merkwürdigen Position, dahinter
kamen dürre Grasstengel zum Vorschein. Während Galluzzo
seine Kollegen herrief, rannte der Commissario zu dem
Felsblock, griff nach einem Grasbüschel und zog fest daran.
Um ein Haar wäre er nach hinten gefallen: Das Büschel hatte
keine
Wurzeln,
jemand
hatte
es
zusammen
mit
Besenkornstengeln dort hineingesteckt, um den Eingang der
Höhle zu tarnen.
Neun
Der Felsblock war eine fast rechteckige Steinplatte, die mit
dem sie umgebenden Felsen eins zu sein schien und auf einer
Art großer Stufe stand, die ebenfalls aus Fels war. Montalbano
schätzte nach
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