Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
dieser
bildhübschen Frau. Hin und wieder rief Ingrid ihn an, und
dann plauderten sie einen ganzen Abend lang miteinander. Die
junge Frau vertraute sich ihm an, erzählte ihm von ihren
Problemen, und er beriet sie klug und brüderlich: Er war eine
Art geistiger Vater – eine Rolle, zu der er sich hatte zwingen
müssen, denn Ingrid weckte nicht gerade geistige Gedanken –,
auf dessen Ratschläge sie herzlich wenig hörte. Zu allen
bisherigen sechs oder sieben Verabredungen war Montalbano
noch nie vor ihr dagewesen, Ingrid war von geradezu
fanatischer Pünktlichkeit.
Auch diesmal sah er, als er vor der Bar in Marinella
parkte, daß Ingrids Auto schon da stand, neben einem Porsche
Cabrio, einem Flitzer in einem Gelb, das Geschmack und
Auge beleidigte.
Als er die Bar betrat, stand Ingrid an der Theke und trank
Whisky, neben ihr ein superschicker kanariengelber
Vierzigjähriger mit Rolex und Nackenschwänzchen.
Ob er das Auto wohl auch wechselt, wenn er sich
umzieht? überlegte der Commissario.
Als sie ihn erblickte, lief Ingrid auf ihn zu, umarmte ihn
und gab ihm ein Küßchen auf den Mund, sie freute sich
wirklich, ihn zu sehen. Auch Montalbano freute sich: Ingrid
war ein wahres Gottesgeschenk mit ihren hautengen Jeans an
den unendlich langen Beinen, den Sandalen, der hellblauen
durchsichtigen Bluse, die die Form ihrer Brüste erahnen ließ,
dem blonden Haar, das ihr offen über die Schultern fiel.
»Entschuldige«, sagte sie zu dem Kanarienvogel, »bis
bald mal.«
Sie setzten sich an einen Tisch, Montalbano wollte nichts
bestellen, der Mann mit Rolex und Nackenschwänzchen ging
auf die Terrasse mit Blick aufs Meer, um dort seinen Whisky
auszutrinken. Sie lächelten sich an.
»Gut siehst du aus«, stellte Ingrid fest. »Aber im
Fernsehen hast du heute einen ziemlich elenden Eindruck
gemacht.«
»Ich weiß«, sagte der Commissario und wechselte das
Thema. »Du siehst auch gut aus.«
»Wolltest du mich sehen, damit wir Komplimente
austauschen?«
»Tust du mir einen Gefallen?«
»Natürlich.«
Von der Terrasse schielte der Mann mit dem
Nackenschwänzchen zu ihnen herüber. »Wer ist denn das?«
»Ein Bekannter. Wir haben uns auf dem Weg hierher
getroffen, er ist mitgekommen und hat mich zu einem Whisky
eingeladen.«
»Wie bekannt?«
Ingrid wurde ernst und runzelte die Stirn. »Bist du
eifersüchtig?«
»Nein, das weißt du ganz genau, außerdem gibt es keinen
Grund dafür. Er war mir nur sofort zuwider. Wie heißt er?«
»Ach, komm, Salvo, das kann dir doch egal sein!«
»Sag mir, wie er heißt.«
»Beppe... Beppe De Vito.«
»Und woher hat er das nötige Kleingeld für die Rolex,
den Porsche und was sonst noch so anfällt?«
»Er handelt mit Pelzen.«
»Warst du mit ihm im Bett?«
»Ja, letztes Jahr, glaube ich. Und er hat mir gerade
vorgeschlagen, es noch mal zu tun. Aber ich habe keine
angenehme Erinnerung an diese eine Begegnung.«
»Ist er pervers?«
Ingrid sah ihn kurz an, dann brach sie in ein Gelächter
aus, das den Barmann zusammenfahren ließ.
»Was gibt's da zu lachen?«
»Dein Gesicht! Du schaust drein wie ein empörter braver
Polizist. Nein, Salvo, ganz im Gegenteil. Er ist völlig
phantasielos. Sterbenslangweilig und überflüssig, das ist es,
was mir in Erinnerung geblieben ist.«
Montalbano
winkte
den
Mann
mit
dem
Nackenschwänzchen an ihren Tisch, und als dieser sich
lächelnd näherte, sah Ingrid den Commissario besorgt an.
» Buonasera. Ich kenne Sie übrigens. Sie sind
Commissario Montalbano.«
»Ich fürchte, Sie werden mich leider noch besser
kennenlernen müssen.«
Der andere erstarrte, der Whisky zitterte im Glas, die
Eiswürfel klirrten.
»Warum sagen Sie ‚leider’?«
»Sie heißen Giuseppe De Vito und handeln mit Pelzen?«
»Ja... aber ich verstehe nicht...«
»Sie werden es zu gegebener Zeit verstehen. Sie kriegen
in den nächsten Tagen eine Vorladung in die Questura von
Montelusa. Ich werde auch dasein. Dann können wir uns
länger unterhalten.«
Der Mann mit dem Nackenschwänzchen war plötzlich
blaß geworden und stellte das Glas auf den Tisch, er konnte es
offenbar nicht mehr halten.
»Könnten Sie mir nicht freundlicherweise jetzt schon...
ich meine, erklären...«
Montalbano setzte ein Gesicht auf, als überwältigte ihn
eine unbezwingbare Anwandlung von Großherzigkeit.
»Aber nur weil Sie mit dieser Dame hier befreundet sind.
Kennen Sie einen Deutschen, einen gewissen Kurt
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