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Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta

Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta

Titel: Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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täglich. Einmal habe ich zehn
    Bombenangriffe in sechsunddreißig Stunden gezählt. Kaum
    jemand war im Dorf zurückgeblieben, die meisten waren
    geflohen, wir lebten in Verstecken, die wir in den Mergelhügel
    oberhalb des Dorfes gegraben hatten. Eigentlich waren es
    Schächte mit zwei Ausgängen, die guten Schutz boten. Wir
    hatten sogar Betten hineingestellt. Jetzt ist Vigàta gewachsen,
    es ist nicht mehr wie damals, ein paar Häuser um den Hafen,
    eine Häuserzeile zwischen dem Fuß des Hügels und dem
    Meer. Oben auf dem Hügel, dem Piano Lanterna, der heute
    mit seinen Wolkenkratzern wie New York aussieht, standen
    ein paar Häuser an der einzigen Straße, die zum Friedhof
    führte und sich dann in der Landschaft verlor. Drei Ziele
    hatten die feindlichen Flieger: das Elektrizitätswerk, den
    Hafen mit seinen Kriegs- und Handelsschiffen, die
    Luftabwehr- und Küstenbatterien, die auf dem Kamm der
    Anhöhe standen. Mit den Engländern war es nicht so schlimm
    wie mit den Amerikanern.«
    Montalbano wurde ungeduldig, er wollte endlich zum
    Thema kommen, zu dem Hund, aber den Ragioniere auch
    nicht in seinen Abschweifungen unterbrechen.
    »Inwiefern ging es besser, Ragioniere? Bomben sind
    doch Bomben.«
    Burruano schwieg, er hing wohl irgendeiner Erinnerung
    nach, und der Preside sprach an seiner Stelle. »Die Engländer
    waren, wie soll ich sagen, fairer, sie bemühten sich, mit ihren
    Bomben nur militärische Ziele zu treffen, aber die Amerikaner
    bombardierten uns hemmungslos, wie es gerade kam.«
    »Gegen Ende 42«, fuhr Burruano fort, »wurde die Lage
    immer schwieriger. Es mangelte an allem, von Brot über
    Medikamente bis hin zu Wasser und Kleidung. Da kam ich auf
    die Idee, für Weihnachten eine Krippe zu machen, vor der wir
    uns versammeln und beten könnten. Wir hatten sonst nichts.
    Aber ich wollte eine besondere Krippe. Ich nahm mir also vor,
    den Vigatèsi wenigstens für ein paar Tage ihre vielen Sorgen
    und die Angst vor den Bomben wenn auch nur ein bißchen zu
    nehmen. Jede Familie hatte mindestens einen Mann draußen
    im Krieg, im eisigen Rußland oder in der Hölle Afrikas. Alle
    waren wir nervös, unzugänglich, reizbar geworden, beim
    geringsten Anlaß gab es Streit, unsere Nerven waren sehr
    angespannt. Nachts taten wir kein Auge zu bei dem dauernden
    Flakfeuer, den explodierenden Bomben, dem Lärm der
    Tiefflieger, dem Kanonendonner von den Schiffen. Und alle
    kamen immer zu mir oder zum Pfarrer, weil sie mal das, mal
    jenes brauchten, und ich wußte gar nicht mehr, wo mir der
    Kopf stand. Ich fühlte mich überhaupt nicht mehr jung, was
    ich ja eigentlich war, ich fühlte mich damals so, wie ich jetzt
    bin.«
    Er hielt inne, um Atem zu schöpfen. Weder Montalbano
    noch der Preside mochten diese Pause füllen.
    »Langer Rede kurzer Sinn, ich sprach also mit Ballassàro
    Chiarenza, der wirklich ein Töpferkünstler war, er machte es
    aus reinem Vergnügen, denn von Berufs wegen war er
    eigentlich Fuhrmann. Und der hatte die Idee, die Figuren in
    Lebensgröße zu bauen: das Jesuskind, Maria, Joseph, Ochs
    und Esel, einen Schäfer mit einem Lämmchen auf den
    Schultern, ein Schaf, einen Hund und einen erschrockenen
    Hirten, der staunend die Arme hebt und der in keiner Krippe
    fehlen darf. Er baute sie, und sie waren wunderschön. Da
    dachten wir, wir stellen sie nicht in der Kirche auf, sondern
    unter der Arkade eines bombardierten Hauses, als wäre Jesus
    mitten im Leid der Menschen geboren worden.«
    Er fuhr mit der Hand in die Jackentasche, zog eine
    Fotografie heraus und reichte sie dem Commissario. Die
    Krippe war wirklich wunderschön, da hatte der Ragioniere
    ganz recht. Sie strahlte etwas Flüchtiges, Provisorisches aus
    und zugleich tröstliche Wärme und überirdische Heiterkeit.
    »Sie ist wundervoll«, sagte Montalbano anerkennend und
    war ganz bewegt. Aber das dauerte nur einen Augenblick, der
    Polizist in ihm gewann die Oberhand, und er sah sich den
    Hund auf dem Bild genauer an. Kein Zweifel, es war der Hund
    aus der Grotte. Der Ragioniere steckte das Foto wieder ein.
    »Die Krippe hat tatsächlich Wunder gewirkt. Ein paar
    Tage lang gingen wir wirklich freundlich miteinander um.«
    »Was ist aus den Figuren geworden?«
    Das war es, was Montalbano wissen wollte. Der alte
    Mann lächelte.
    »Ich habe sie versteigert, alle. Ich bekam soviel dafür,
    daß ich Chiarenza, der nur seine Ausgaben ersetzt haben
    wollte, auch für seine Arbeit bezahlen und denen, die es am
    nötigsten

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