Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
wir nicht im Akkord.«
Merkwürdiger Zufall – das grüne Auto stand direkt an
dem Busch, neben dem ein Jahr zuvor die Leiche eines
hochrangigen Mannes gefunden worden war, ein Fall, der
Montalbano sehr beschäftigt hatte. Er schüttelte dem Tenente
der Arma, der aus Bergamo war und Donizetti hieß, die Hand.
»Wir haben einen anonymen Anruf erhalten«, sagte der
Tenente.
Man wollte also absolut sichergehen, daß die Leiche
gefunden wurde. Der Commissario sah den Toten an, der
zusammengekauert im Kofferraum lag, er war anscheinend
mit einem einzigen Schuß erledigt worden, das Projektil war
durch den Mund eingetreten, hatte dabei die Lippen zerissen
und Zähne zerbrochen, und war im Nacken wieder
ausgetreten, wo es ein faustgroßes Loch hinterlassen hatte. Er
kannte ihn nicht.
»Sie kennen den Betreiber dieses Bordells unter freiem
Himmel, wie ich höre?« erkundigte sich der Tenente mit leiser
Verachtung in der Stimme.
»Ja, er ist mein Freund« gab Montalbano herausfordernd
zurück.
»Wissen Sie, wo ich ihn finden kann?«
»Zu Hause, nehme ich an.«
»Er ist nicht da.«
»Entschuldigen Sie, aber warum wollen Sie von mir
wissen, wo er ist?«
»Weil Sie sein Freund sind, das haben Sie doch eben
selbst gesagt.«
»Ach ja? Und Sie wissen wohl genau in diesem
Augenblick, wo Ihre Freunde aus Bergamo gerade sind und
was sie tun.«
Von der Provinciale her kamen dauernd Autos, bogen in
die schmalen Wege der Mànnara ein, sahen das Aufgebot an
Carabinieri, legten den Rückwärtsgang ein und waren ganz
schnell wieder auf der Straße, auf der sie gekommen waren.
Die Huren aus dem Osten, die brasilianischen Transvestiten,
die Nigerianerinnen & Co. trafen an ihrem Arbeitsplatz ein,
aber es war ihnen nicht geheuer, und sie verschwanden wieder.
Das würde ein mieser Abend für Gegès Geschäfte werden.
Der Tenente ging zu dem grünen Auto zurück,
Montalbano wandte ihm den Rücken zu und stieg grußlos in
seinen Wagen. Zu Fazio sagte er: »Du bleibst mit Galluzzo
hier. Schaut zu, was sie machen und was sie rausfinden. Ich
fahre ins Büro.«
Er hielt vor Sarcutos Papier- und Buchhandlung, der einzigen
in Vigàta, die auch hielt, was das Ladenschild versprach, die
beiden
anderen
verkauften
keine
Bücher,
sondern
Schulranzen, Hefte und Stifte. Ihm war eingefallen, daß er mit
dem Krimi von Montalbán fertig war und nichts mehr zu lesen
hatte.
»Es gibt ein neues Buch über Falcone und Borsellino!«
verkündete Signora Sarcuto, als sie ihn hereinkommen sah.
Sie hatte noch immer nicht begriffen, daß Montalbano
Bücher, in denen es um Mafia, Morde und Mafiaopfer ging,
nicht ausstehen konnte. Er wußte nicht, warum, er verstand es
selbst nicht, aber er kaufte sie nie, nicht einmal die
Klappentexte las er. Er kaufte ein Buch von Consolo, das vor
einiger Zeit einen wichtigen Literaturpreis gewonnen hatte.
Nach ein paar Schritten auf dem Gehsteig rutschte ihm das
Buch, das er unter den Arm geklemmt hatte, herunter und fiel
auf den Boden. Montalbano bückte sich, um es aufzuheben,
und setzte sich dann in seinen Wagen.
Im Büro hörte er von Catarella, daß es keine Neuigkeiten
gebe. Montalbano hatte die fixe Idee, in jedes Buch, das er
kaufte, sofort seinen Namen hineinzuschreiben. Er wollte
einen Kugelschreiber von seinem Schreibtisch nehmen, als
sein Blick auf die Münzen fiel, die Jacomuzzi ihm dagelassen
hatte. Eine Kupfermünze von 1934 trug auf der einen Seite das
Profil des Königs und die Inschrift »Vittorio Emanuele III Re
d'Italia«, auf der anderen eine Ähre mit der Aufschrift »c 5«,
fünf Centesimi; die zweite war ebenfalls aus Kupfer, ein
bißchen größer, auf einer Seite wie üblich der Kopf des
Königs mit derselben Inschrift, auf der anderen eine Biene, die
auf einer Blüte saß, der Buchstabe »c« und die Zahl »10«,
zehn Centesimi, aus dem Jahr 1936; die dritte war eine
Aluminiumlegierung, auf der einen Seite das unvermeidliche
Gesicht des Königs mit der Inschrift, auf der anderen ein Adler
mit ausgebreiteten Flügeln, hinter dem ein Liktorenbündel zu
erkennen war. Auf dieser Seite gab es vier Aufschriften: »L
1«, also 1 Lira, »ITALIA«, also Italien, »1942«, das Jahr der
Prägung, und »XX«, was zwanzigstes Jahr der faschistischen
Ära bedeutete. Als Montalbano sich diese Münze ansah, fiel
ihm ein, was er gesehen hatte, als er sich vor der
Buchhandlung bückte, um das Buch aufzuheben, das ihm
heruntergefallen war. Er
Weitere Kostenlose Bücher