Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
meine Familie
zog weg, wir gingen sogar auf den Kontinent, zu einem Bruder
meines Vaters. Als der Krieg vorbei war, schrieb ich meiner
Freundin sowohl an die Adresse in dem kleinen Dorf als auch
nach Vigàta. Es kam keine Antwort, und ich machte mir
Sorgen. Ende 1946 kehrten wir schließlich nach Vigàta
zurück. Ich wollte Lisettas Eltern besuchen. Ihre Mutter war
gestorben, der Vater versuchte erst, eine Begegnung mit mir
zu vermeiden, dann war er sehr unfreundlich und sagte, Lisetta
habe sich in einen amerikanischen Soldaten verliebt und sei
ihm gegen den Willen der Familie gefolgt. Er fügte noch
hinzu, seine Tochter sei für ihn gestorben.«
»Ich finde das eigentlich gar nicht so abwegig«, sagte
Montalbano.
»Habe ich es dir nicht gleich gesagt?« mischte sich der
Preside triumphierend ein.
»Schauen Sie, Dottore, merkwürdig war es schon, auch
wenn man außer acht läßt, was danach geschah. Lisetta hätte
mich auf jeden Fall wissen lassen, wenn sie sich in einen
amerikanischen Soldaten verliebt hätte. Und in den Briefen,
die sie mir aus Serradifalco schrieb – so hieß das Dorf, in das
sie geflohen waren –, ging es immer nur um eines: die Qual,
die sie empfand, weil ihre heimliche große Liebe nicht bei ihr
war. Ein junger Mann, dessen Namen sie mir nie sagen
wollte.«
»Bist du sicher, daß es diese heimliche Liebe wirklich
gab? Konnte das nicht auch die Phantasie eines jungen
Mädchens sein?«
»Lisetta war nicht der Typ, der sich in Phantasien
verstieg.«
»Ich meine«, sagte Montalbano, »mit siebzehn, und leider
auch danach noch, braucht man für die Beständigkeit von
Gefühlen nicht seine Hand ins Feuer zu legen.«
»Glaub's halt endlich«, ließ sich der Preside vernehmen.
Wortlos holte die Signora ein weiteres Foto aus dem
Umschlag. Es zeigte eine junge Braut am Arm eines
gutaussehenden jungen Mannes in amerikanischer Uniform.
»Das habe ich Anfang 1947 aus New York bekommen, so
steht es auf dem Stempel.«
»Damit ist doch jeder Zweifel ausgeräumt, finde ich«,
schloß der Preside.
»O nein, das wirft überhaupt erst Zweifel auf.«
»Wie meinen Sie das, Signora?«
»Weil nur diese Fotografie im Umschlag war, dieses Foto
von Lisetta und dem Soldaten, kein Brief, nichts. Und auch
hinten auf dem Foto kein Wort, sehen Sie selbst. Können Sie
mir erklären, warum meine beste Freundin mir nur ein Foto
schickt und kein Wort dazu schreibt?«
»Haben Sie die Schrift ihrer Freundin auf dem Umschlag
erkannt?«
»Die Adresse war mit der Maschine geschrieben.«
»Ah«, machte Montalbano.
»Und noch etwas: Elisa Moscato war eine Cousine ersten
Grades von Lillo Rizzitano. Und Lillo hatte sie sehr lieb, wie
eine kleine Schwester.«
Montalbano sah den Preside an.
»Er verehrte sie«, gab Burgio zu.
Neunzehn
Je mehr Commissario Montalbano sich den Kopf zerbrach, je
engere Kreise er zog, je näher er der Sache kam, um so mehr
war er davon überzeugt, auf dem richtigen Weg zu sein. Er
hatte nicht einmal wie üblich seinen Spaziergang bis ans Ende
der Mole gebraucht, um seine Gedanken zu sammeln, sondern
sich, mit dem Hochzeitsfoto in der Tasche, von den Burgios
direkt auf den Weg nach Montelusa gemacht.
»Ist der Dottore da?«
»Ja, aber er arbeitet, ich sage ihm Bescheid«, sagte der
Pförtner.
Pasquano stand mit zwei Assistenten um eine
Marmorplatte herum, auf der ein nackter Leichnam lag, die
Augen weit geöffnet. Recht hatte er, der Tote, daß er die
Augen vor Verwunderung aufriß, denn die drei prosteten sich
mit Pappbechern zu. Der Dottore hatte eine Sektflasche in der
Hand.
»Kommen Sie, wir haben was zu feiern!«
Montalbano dankte einem Assistenten, der ihm einen
Becher reichte, und Pasquano goß ihm einen Schluck Sekt ein.
»Auf wen trinken wir?« fragte der Commissario.
»Auf mich. Das hier ist nämlich meine tausendste
Obduktion.«
Montalbano trank, dann nahm er den Dottore auf die
Seite und zeigte ihm das Foto.
»Könnte die Tote vom Crasticeddru so ausgesehen haben
wie das Mädchen auf dem Foto?«
»Sie haben sie ja wohl nicht mehr alle«, stellte Pasquano
freundlich fest.
»Bitte entschuldigen Sie«, sagte der Commissario.
Er machte auf dem Absatz kehrt und ging. Was war er
nur für ein Idiot, er, nicht der Dottore. Er hatte sich von seiner
Begeisterung hinreißen lassen und Pasquano die dümmste
Frage gestellt, die man nur stellen konnte.
Beim Erkennungsdienst hatte er auch nicht mehr Glück.
»Ist Jacomuzzi
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