Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
totenblaß.
»Was redest du da?« brachte er mühsam hervor.
Montalbano fand, er habe sich für die Enteignung seines
Schreibtisches genug gerächt.
»Reg dich ab, Mimì. Ich habe mich falsch ausgedrückt.
Ich wollte sagen: Du hast den Mechanismus ausgelöst, der
dazu führte, daß man auf mich geschossen hat.«
»Wie meinst du das?« fragte Augello, der auf dem Stuhl
zusammengesunken war und sich mit einem Taschentuch um
den Mund und über die Stirn wischte.
»Mein Lieber, du hast, ohne dich mit mir abzusprechen,
ohne mich zu fragen, ob ich einverstanden bin oder nicht, die
Polizei auf Ingrassia angesetzt. Hast du etwa geglaubt, der ist
so blöd und merkt das nicht? Er hat höchstens einen halben
Tag gebraucht, um rauszukriegen, daß er beschattet wird. Und
natürlich ist er davon ausgegangen, daß ich den Befehl dazu
gegeben habe. Er wußte, daß er alle möglichen Dummheiten
angestellt hatte, derentwegen ich ihn im Visier hatte, und um
vor Brancato, der ihn aus dem Weg räumen wollte – du selbst
hast mir von dem Gespräch zwischen den beiden berichtet –
wieder besser dazustehen, hat er zwei Idioten angeheuert, um
mich auszuschalten. Aber sein Plan ist fehlgeschlagen. Da
hatte Brancato oder sonst jemand aus dieser Ecke die
Schnauze endgültig voll von Ingrassia und seinen gefährlichen
glorreichen Ideen – denk an den überflüssigen Mord an dem
armen Cavaliere Misuraca – und dafür gesorgt, daß er von der
Bildfläche verschwindet. Wenn du Ingrassia nicht gewarnt
hättest, wäre Gegè noch am Leben und ich hätte nicht diese
Schmerzen in der Seite. Das ist alles.«
»Wenn es so ist, dann hast du recht«, sagte Mimì am
Boden zerstört.
»Es ist so, da kannst du deinen Arsch drauf wetten.«
Das Flugzeug landete ganz nah am Flughafengebäude, die
Passagiere mußten nicht umsteigen. Montalbano sah, wie
Livia die Treppe herunterkam und mit gesenktem Kopf auf
den Eingang zuging. Er versteckte sich in der Menge und
beobachtete Livia, wie sie nach langem Warten ihren Koffer
vom Förderband nahm, ihn auf einen Wagen legte und sich auf
den Weg zum Taxistand machte. Am Abend zuvor hatten sie
am Telefon vereinbart, daß sie den Zug von Palermo nach
Montelusa nehmen und er sie dann am Bahnhof abholen
würde. Aber da hatte er schon vorgehabt, sie zu überraschen
und gleich an den Flughafen Punta Ràisi zu kommen.
»Sind Sie allein? Kann ich Sie mitnehmen?«
Livia, die gerade auf das erste Taxi in der Reihe
zusteuerte, blieb wie angewurzelt stehen und stieß einen
Schrei aus.
»Salvo!«
Glücklich umarmten sie sich.
»Gut schaust du aus!«
»Du auch«, sagte Montalbano. »Ich beobachte dich schon
seit über einer halben Stunde, seit du ausgestiegen bist.«
»Warum hast du dich denn nicht bemerkbar gemacht?«
»Es macht mir Spaß, dir zuzuschauen, wenn ich für dich
gar nicht vorhanden bin.«
Sie stiegen ins Auto, und Montalbano, anstatt
loszufahren, umarmte sie erst mal, küßte sie, legte seine Hand
auf ihre Brust, beugte den Kopf hinunter, streichelte mit seiner
Wange ihr Knie, ihren Bauch.
»Laß uns hier wegfahren«, keuchte Livia, »sonst kriegen
sie uns noch wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses dran.«
Auf dem Weg nach Palermo machte der Commissario ihr
einen Vorschlag, auf den er gerade erst gekommen war.
»Bleiben wir in der Stadt? Ich möchte dir die Vuccirìa
zeigen.«
»Ich kenne die Vuccirìa. Guttuso.«
»Aber dieses Bild ist miserabel, glaub mir. Wir nehmen
uns ein Zimmer, machen einen kleinen Bummel, gehen in die
Vuccirìa, schlafen und fahren morgen früh nach Vigàta. Ich
habe nichts zu tun und kann mich als Touristen betrachten.«
Als sie ins Hotel kamen, vergaßen sie ihren Vorsatz, sich
nur schnell frisch zu machen und dann in die Stadt zu gehen.
Sie blieben da, sie liebten sich, sie schliefen ein. Nach ein paar
Stunden wachten sie auf und fingen von vorn an. Es war schon
fast Abend, als sie das Hotel verließen und in die Vuccirìa
gingen. Livia war ganz benommen von dem Stimmengewirr,
den Aufforderungen und dem Geschrei der Händler, dem
Dialekt, den Kontrasten, den plötzlichen Streitereien, den
Farben, die so leuchtend waren, daß sie fast künstlich wirkten,
wie gemalt. Der Geruch nach frischem Fisch mischte sich mit
dem Duft von Mandarinen, gekochten und mit caciocavallo
belegten Innereien vom Lamm – der mèusa – und
Gebratenem, und dieser Schmelztiegel an Gerüchen war etwas
Unwiederholbares, fast
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