Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
gehört, verliebt sich in Lisetta Moscato, und
sie erwidert seine Liebe. Wie sie es angestellt haben, sich zu
treffen, miteinander zu reden, das weiß der liebe Gott.«
»Ich habe lange darüber nachgedacht«, sagte die Signora.
»Es gab eine Zeit, ich glaube, von 1942 bis März oder April
43, da hatte Lisetta mehr Freiheit, weil ihr Vater geschäftlich
weit weg von Vigàta war. Daß sie sich verliebten, daß sie sich
heimlich trafen, kann nur in dieser Zeit möglich gewesen
sein.«
»Sie verliebten sich ineinander, das ist sicher«,
Montalbano nahm seinen Gedanken wieder auf. »Dann kam
der Vater zurück, und sie konnten sich nicht mehr sehen.
Möglicherweise kam auch die Flucht dazwischen. Dann
erfährt sie von Marios bevorstehender Abreise... Lisetta flieht,
kommt hierher und trifft sich mit Cunich, wo, wissen wir
nicht. Um möglichst lang mit Lisetta zusammensein zu
können, kehrt er nicht an Bord zurück. Und dann werden sie
im Schlaf ermordet. Bis dahin ist alles in Ordnung.«
»Wie, in Ordnung?« fragte die Signora erstaunt.
»Entschuldigen Sie, ich wollte sagen, daß die Rekonstruktion
bis hierher stimmt. Ermordet haben kann sie ein abgewiesener
Verehrer oder Lisettas Vater, der sie erwischt hat und in seiner
Ehre gekränkt war. Weiß der Himmel.«
»Was meinen Sie mit ‚weiß der Himmel’?« fragte die
Signora. »Wollen Sie etwa nicht wissen, wer die beiden armen
jungen Menschen umgebracht hat?«
Er wollte ihr nicht erklären, daß ihn der Mörder eigentlich
nicht interessierte, was ihn beschäftigte, war die Frage, warum
jemand, vielleicht der Mörder selbst, sich die Mühe gemacht
hatte, die Leichen in die Grotte zu schaffen und die Szene mit
der Schale, dem Krug und dem Hund aus Terracotta zu
arrangieren.
Bevor
Montalbano
heimfuhr,
ging
er
in
ein
Lebensmittelgeschäft und holte zweihundert Gramm
Pfefferkäse und einen Laib Weizenbrot. Er kaufte ein, weil er
sicher war, daß er Livia nicht antreffen würde. Sie war in der
Tat nicht da, alles war noch wie vorher, als er zu den Burgios
gegangen war.
Er hatte nicht mal Zeit gehabt, die Tüte auf den Tisch zu
stellen, als das Telefon klingelte; es war der Questore.
»Montalbano, Staatssekretär Licalzi hat mich heute angerufen.
Er wollte wissen, warum ich noch keinen Beförderungsantrag
für Sie eingereicht habe.«
»Was, zum Teufel, will der eigentlich von mir?«
»Ich habe mir erlaubt, eine mysteriöse Liebesgeschichte
zu erfinden, ich habe darum herumgeredet und Andeutungen
gemacht... er hat tatsächlich angebissen, wahrscheinlich liest
er leidenschaftlich gern Klatschblätter. Aber das Problem hat
er gelöst. Er hat gesagt, ich soll mich schriftlich an ihn
wenden, dann kriegen Sie eine üppige Gehaltszulage. Ich habe
den Antrag geschrieben und weitergeleitet. Wollen Sie ihn
hören?«
»Ersparen Sie mir das.«
»Schade, ich finde, ich habe ein kleines Meisterwerk
zustande gebracht.«
Er deckte den Tisch und schnitt eine dicke Scheibe Brot
ab, als wieder das Telefon klingelte. Es war nicht Livia, wie er
gehofft hatte, sondern Fazio.
»Dottore, ich war den ganzen Tag über für Sie unterwegs.
Dieser Stefano Moscato war nicht gerade einer, mit dem man
was zu tun haben wollte.«
»Mafioso?«
»Richtiger Mafioso wohl nicht. Aber gewalttätig, das
schon. Mehrere Verurteilungen wegen Schlägereien,
Überfällen und Vergewaltigung. Das klingt mir nicht nach
Mafia, ein Mafioso läßt sich wegen solchem Kleinkram nicht
verurteilen.«
»Wann war die letzte Verurteilung?«
»1981, stellen Sie sich vor. Er stand schon mit einem
Bein im Grab und hat einem mit dem Stuhl den Kopf
eingeschlagen.«
»Weißt du, ob er 1942 oder 43 eine Zeitlang im
Gefängnis saß?«
»Allerdings. Schlägerei und Körperverletzung. Von März
1942 bis zum einundzwanzigsten April 1943 war er in
Palermo, im Ucciardone-Gefängnis.«
Die Neuigkeiten, die Fazio ihm mitgeteilt hatte, ließen
Montalbano den Pfefferkäse, der von Haus aus schon nicht
von schlechten Eltern war, noch viel besser schmecken.
Einundzwanzig
Galluzzos Schwager eröffnete sein Telegiornale mit der
Nachricht von einem brutalen Attentat am Stadtrand von
Catania, das eindeutig die Handschrift der Mafia trage. Ein in
der ganzen Stadt bekannter und geschätzter Händler, ein
gewisser Corrado Brancato, der ein großes Lagerhaus besessen
und Supermärkte beliefert hatte, habe sich einen freien
Nachmittag in seiner kleinen Villa außerhalb
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