Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
Tour.«
Sie schlossen Frieden.
Giulia, die Frau des Vicequestore Valente, war nicht nur in
Livias Alter, sondern stammte auch noch aus Sestri. Die
beiden Frauen waren sich sofort sympathisch. Montalbano
fand Valentes Frau nicht ganz so sympathisch, weil die pasta
ein zerkochtes Häuflein Elend war, der Schmorbraten nur
einem kranken Hirn entsprungen sein konnte und man einen
solchen Kaffee nicht mal an Bord eines Flugzeugs anbieten
würde. Nach dem sogenannten Mittagessen schlug Giulia
Livia vor, mit ihr zu Haus zu bleiben und erst später in die
Stadt zu gehen. Montalbano fuhr mit seinem Freund ins Büro.
Dort erwartete den Vicequestore ein Mann um die Vierzig mit
langen Koteletten und einem von der sizilianischen Sonne
verbrannten Gesicht.
»Jeden Tag was Neues! Verzeihen Sie, Signor Questore,
aber ich muß Sie sprechen. Es ist wichtig.«
»Darf ich dir Professor Farid Rahman vorstellen? Er ist
ein Freund aus Tunesien und Lehrer«, sagte Valente und dann,
an den Professore gewandt: »Dauert es lang?«
»Höchstens eine Viertelstunde.«
»Dann schaue ich mir derweil das arabische Viertel an«,
meinte Montalbano.
»Wenn Sie auf mich warten«, mischte sich Farid Rahman
ein, »dann würde ich mich sehr freuen, es Ihnen zeigen zu
dürfen.«
»Hör zu«, schlug Valente vor. »Ich weiß, daß meine Frau
keinen guten Kaffee macht. Dreihundert Meter von hier ist die
Piazza Mokarta, dort setzt du dich in die Bar und trinkst einen,
der wirklich gut ist. Der Professore holt dich dann dort ab.«
Montalbano bestellte den Kaffee nicht sofort, sondern
widmete sich erst einer üppigen, duftenden Portion pasta al
forno, die ihn wieder aus dem Tief holte, in das ihn die
Kochkunst der Signora Giulia gestürzt hatte. Als Rahman
kam, hatte Montalbano die pasta restlos verputzt und nur ein
unschuldiges leeres Espressotäßchen vor sich stehen. Sie
machten sich auf den Weg ins Viertel.
»Wie viele Tunesier gibt es in Mazara?«
»Wir stellen mittlerweile über ein Drittel der lokalen
Bevölkerung.«
»Gibt es oft Ärger zwischen den Tunesiern und den
Mazaresi?«
»Nein, kaum der Rede wert, praktisch keinen, verglichen
mit anderen Städten. Wissen Sie, wir sind für die Mazaresi wie
ein historisches Gedächtnis, fast etwas Genetisches. Wir sind
Einheimische. Al-Imam al-Mazari, der Gründer der
maghrebinischen Schule für Rechtswissenschaften, wurde in
Mazara geboren, ebenso der Philologe Ibn al-Birr, der 1068
aus der Stadt gewiesen wurde, weil er den Wein zu sehr liebte.
Eine große Rolle spielt jedoch die Tatsache, daß die Mazaresi
Seeleute sind. Und gerade Seeleute haben einen gesunden
Menschenverstand, sie wissen, was es heißt, mit beiden
Beinen auf der Erde zu stehen. Apropos Meer – wußten Sie,
daß die hiesigen Fischkutter gemischte Mannschaften aus
Sizilianern und Tunesiern haben?
»Und Sie, Professore, haben Sie einen offiziellen
Auftrag?«
»Nein, Gott bewahre uns vor allem Offiziellen. Hier
funktioniert alles bestens, weil es halboffiziell läuft. Ich bin
Grundschullehrer, vermittle aber auch zwischen meinen
Landsleuten und den lokalen Behörden. Noch ein Beispiel für
den Realitätssinn: Ein Schuldirektor hat uns Räume bewilligt,
und wir Lehrer sind aus Tunis gekommen und haben unsere
eigene Schule gegründet. Aber offiziell weiß das Schulamt
nichts davon.«
Das Viertel war ein Stückchen Tunis, das einfach dort
herausgepickt und nach Sizilien verlegt worden war. Die
Geschäfte waren geschlossen, weil Freitag und damit Ruhetag
war, aber in den engen Gäßchen herrschte trotzdem buntes,
quirliges Leben. Als erstes zeigte Rahman ihm das große
öffentliche Bad, von jeher gesellschaftlicher Treffpunkt für die
Araber, und führte ihn in eine Opiumhöhle, ein Café, in dem
man Wasserpfeife rauchte. Dann kamen sie zu einer Art
leerem Lagerraum, in dem ein alter Mann im Schneidersitz auf
dem Boden saß und mit ernstem Gesicht aus einem Buch
vorlas und es kommentierte. Vor ihm saßen auf die gleiche
Weise an die zwanzig Kinder, die aufmerksam zuhörten.
»Das ist einer unserer Lehrer, der den Koran erklärt«,
sagte Rahman und wollte weitergehen.
Montalbano blieb stehen und legte Rahman seine Hand
auf den Arm. Es beeindruckte ihn, wie andächtig und
aufmerksam die Kinder lauschten, die doch sofort wieder
kreischen und raufen würden, sobald sie auf der Straße waren.
»Was liest er denn vor?«
»Die achtzehnte Sure, die von der
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