Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
Montalbano. Zito zeigte
nacheinander den Leichnam des Jungen, den er Mario nannte,
und den des Mädchens, das er Lisetta nannte; er zeigte, wie
das Flugzeug die Rosenblätter fallen ließ und eine
Großaufnahme des Textes auf den Zetteln. Und dann entspann
er eine ebenso mysteriöse wie herzzerreißende Story, die
eigentlich nicht zum Stil von »Retelibera«, sondern eher zu
»Televigàta« paßte. Warum war das junge Liebespaar
ermordet worden? Welches traurige Schicksal hatte es so
enden lassen? Wer hatte es so pietätvoll in der Höhle
zurechtgelegt? War die wunderschöne Frau, die in der
Werbeagentur
erschienen
war,
vielleicht
aus
der
Vergangenheit auferstanden, um im Namen der Ermordeten
Sühne zu verlangen? Und welche Verbindung gab es zwischen
der Schönen und dem jungen Paar von vor fünfzig Jahren?
Was bedeutete Erwachen? Wie kam es, daß Commissario
Montalbano sogar dem Hund aus Terracotta einen Namen
geben konnte? Was wußte er über das Geheimnis?
»Salvo? Ich bin's, Ingrid. Hoffentlich hast du nicht gedacht,
ich würde mit deinem Geld abhauen.«
»Ich bitte dich! Warum, ist denn noch was übrig?«
»Ja, es hat nicht mal die Hälfte der Summe gekostet, die
du mir gegeben hast. Den Rest habe ich, du kriegst ihn, sobald
ich wieder in Montelusa bin.«
»Von wo aus rufst du denn an?«
»Aus Taormina. Ich habe jemanden getroffen. In vier
oder fünf Tagen bin ich wieder zurück. War ich gut? Ist alles
so gelaufen, wie du es wolltest?«
»Du warst einfach klasse. Viel Vergnügen!«
»Montalbano? Hier ist Nicolò. Haben dir die Berichte
gefallen? Du kannst dich bei mir bedanken.«
»Wofür?«
»Ich habe genau das getan, was du wolltest.«
»Ich hatte dich um nichts gebeten.«
»Na ja, nicht direkt. Aber ich bin ja nicht blöd, mir war
schon klar, daß um die Geschichte möglichst viel Wirbel
gemacht und sie so präsentiert werden sollte, daß sie die Leute
mitreißt, das wolltest du doch. Ich habe Dinge gesagt, für die
ich mich Zeit meines Lebens schämen werde.«
»Danke, auch wenn ich immer noch nicht weiß, wofür ich
dir danken soll.«
»Weißt du, daß unsere Vermittlung mit Anrufen
bombardiert wird? Die RAI, die Fininvest, die Ansa, alle
italienischen Zeitungen wollen die Aufzeichnung haben. Du
hast ganz schön auf den Putz gehauen. Darf ich dich was
fragen?«
»Natürlich.«
»Wieviel hat dich die Miete des Flugzeugs gekostet?«
Er schlief wunderbar, so wie Götter schlafen, wenn sie mit
ihrem Werk zufrieden sind. Er hatte sein Möglichstes und
sogar Unmöglichstes getan, jetzt konnte er nur noch auf eine
Antwort warten; die Botschaft war auf den Weg gebracht, jetzt
mußte nur noch jemand den Code entschlüsseln, um es mit
Alcide Maraventato zu sagen.
Der erste Anruf kam um sieben Uhr morgens. Es war Luciano
Acquasanta vom »Mezzogiorno«, der sich in seiner Meinung
bestätigt wissen wollte. Könnte es nicht sein, daß das junge
Paar bei einem satanischen Ritus geopfert wurde?
»Warum nicht?« sagte Montalbano höflich und für alles
offen.
Der zweite Anruf kam eine Viertelstunde später. Die
Theorie von Stefania Quattrini von der Zeitschrift »Essere
donna« bestand darin, daß Mario beim Liebesakt mit Lisetta –
man kennt doch die Seeleute von einer anderen eifersüchtigen
Frau erwischt wurde, die alle beide kaltgemacht hat. Dann floh
sie ins Ausland, vertraute sich aber, kurz bevor sie starb, ihrer
Tochter an, die wiederum ihrer Tochter die Schuld der
Großmutter
eingestand.
Um
das
irgendwie
wiedergutzumachen, kam das Mädchen nach Palermo – sie
sprach doch mit ausländischem Akzent, nicht wahr? – und
arrangierte die Geschichte mit dem Flugzeug.
»Warum nicht?« sagte Montalbano höflich und für alles
offen.
Cosimo Zappalà von dem Wochenblatt »Vivere!« teilte
ihm seine Hypothese um sieben Uhr fünfundzwanzig mit.
Lisetta und Mario pflegten, trunken vor Liebe und
jugendlichem Überschwang, nackt wie Adam und Eva und
händchenhaltend spazierenzugehen. Eines schlimmen Tages
liefen sie einer Abteilung deutscher Soldaten über den Weg,
die sich im Rückzug befanden und ebenfalls trunken waren,
vor Angst und Grausamkeit, und wurden vergewaltigt und
erschossen. Kurz bevor er starb, vertraute sich einer der
Deutschen...
Und
hier
knüpfte
die
Geschichte
merkwürdigerweise an die von Stefania Quattrini an.
»Warum nicht?« sagte Montalbano höflich und für alles
offen.
Um acht stand Fazio vor der Tür
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