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Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta

Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta

Titel: Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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und brachte ihm, wie
    ihm am Abend zuvor befohlen, alle Tageszeitungen, die in
    Vigàta zu bekommen waren. Während Montalbano weiter
    Telefonanrufe beantwortete, blätterte er sie durch. In allen
    spielte die Nachricht eine mehr oder weniger große Rolle. Am
    meisten amüsierte ihn die Schlagzeile des »Corriere«. Da hieß
    es: Kommissar identifiziert Hund aus Terracotta, der vor
    fünfzig Jahren starb. Aus allem ließ sich etwas machen, auch
    aus der Ironie.

    Adelina wunderte sich, daß der Commissario zu Hause war,
    was sonst nie vorkam.
    »Adelina, ich werde ein paar Tage daheim bleiben, ich
    erwarte nämlich einen wichtigen Anruf, und du mußt mir mein
    Einsiedlerdasein bitte möglichst angenehm gestalten.«
    »Ich versteh' nicht, was Sie da sagen.«
    Montalbano erklärte ihr, daß es ihre Aufgabe sei, ihm
    seinen freiwilligen Gefängnisaufenthalt mit einer Extraportion
    an Phantasie bei der Zubereitung von Mittag- und Abendessen
    zu erleichtern.

    Gegen zehn rief Livia an.
    »Was ist denn bei dir los? Das Telefon ist dauernd
    besetzt!«
    »Tut mir leid, ich kriege jede Menge Anrufe wegen einer
    Sache, die...«
    »Ich weiß, worum es geht. Ich habe dich im Fernsehen
    gesehen. Du warst unbefangen und schlagfertig, ganz anders
    als sonst. Anscheinend geht's dir besser, wenn ich nicht da
    bin.«

    Er rief Fazio im Büro an und bat ihn, ihm die Post nach Hause
    zu bringen und eine Verlängerungsschnur für das Telefon zu
    kaufen. Die Post, fügte er hinzu, müsse ihm täglich gebracht
    werden, sobald sie angekommen sei. Und das solle er den
    anderen sagen: Wenn jemand nach ihm frage, müsse dieser
    Person in der Vermittlung ohne langes Getue seine
    Privatnummer gegeben werden. Es verging keine Stunde, da
    kam Fazio auch schon mit zwei bedeutungslosen Postkarten
    und der Verlängerungsschnur.
    »Was reden sie im Büro?«
    »Was sollen sie schon reden? Nichts. Sie ziehen halt wie
    ein Magnet die großen Geschichten an, und Dutturi Augello
    zieht den ganzen Kleinkram an, geklaute Handtaschen, kleine
    Diebstähle, ab und zu eine Schlägerei.«
    »Wie meinst du das, daß ich die großen Geschichten
    anziehe?«
    »So wie ich es gesagt habe. Meine Frau zum Beispiel
    fürchtet sich vor Mäusen. Und trotzdem, das müssen Sie mir
    glauben, lockt sie sie an. Wo sie auch hingeht, es sind immer
    Mäuse da.«

    Seit achtundvierzig Stunden lag er wie ein Hund an der
    Kette, sein Aktionsradius war gerade so groß, wie es die
    Verlängerungsschnur erlaubte, er konnte also weder an den
    Strand runter noch joggen gehen. Das Telefon trug er immer
    mit sich herum, sogar wenn er aufs Klo ging, und manchmal –
    was ihm nach den ersten vierundzwanzig Stunden zur Manie
    wurde – nahm er den Hörer ab und hielt ihn ans Ohr, um zu
    kontrollieren, ob das Telefon auch funktionierte. Am Morgen
    des dritten Tages dachte er: Warum wäschst du dich
    eigentlich, wenn du doch nicht raus kannst?
    Der nächste Gedanke, der eng mit dem ersten
    zusammenhing, lautete: Wozu rasierst du dich dann
    überhaupt? Adelina erschrak, als sie ihn am Morgen des
    vierten Tages sah – dreckig, unrasiert, in Hausschlappen und
    immer noch demselben Hemd.
    »Maria santissima, dutturi, was ist los mit Ihnen? Sind
    Sie krank?«
    »Ja.«
    »Warum rufen Sie denn nicht den Arzt?«
    »Meine Krankheit ist nichts für einen Arzt.«
    Er war ein berühmter Tenor, der in der ganzen Welt
    gefeiert wurde. Heute abend mußte er in der Oper von Kairo
    singen, in der alten, die noch nicht in Flammen aufgegangen
    war; er wußte genau, daß die Flammen auch sie bald
    verschlingen würden. Er hatte einen Bediensteten gebeten, ihm
    sofort Bescheid zu sagen, wenn Signor Gegè seinen Platz
    eingenommen hätte, den fünften von rechts in der zweiten
    Reihe. Er war im Kostüm, an seine Maske war gerade noch
    mal letzte Hand gelegt worden. Er hörte den Ruf »nächste
    Szene!«. Er rührte sich nicht, atemlos kam der Bedienstete
    angelaufen und teilte ihm mit, daß Signor Gegè – der nicht tot,
    das wußte man, sondern nach Kairo geflüchtet war – noch
    nicht erschienen sei. Er stürzte auf die Bühne und warf durch
    einen schmalen Schlitz im Vorhang einen Blick in den Saal:
    Das Theater war vollbesetzt, nur der fünfte Platz von rechts in
    der zweiten Reihe war leer. Da faßte er spontan einen
    Entschluß. Er kehrte in seine Garderobe zurück, zog das
    Kostüm aus und seine Kleider wieder an; die Schminke, den
    langen grauen Bart und die buschigen weißen Augenbrauen
    ließ er

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