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Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta

Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta

Titel: Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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unberührt. Niemand würde ihn mehr erkennen, er
    würde also nicht mehr singen. Er wußte genau, daß seine
    Karriere zu Ende war, daß er sich etwas einfallen lassen
    mußte, um zu überleben, aber er wußte nicht, was er sonst tun
    sollte: Ohne Gegè konnte er nicht singen.
    Schweißgebadet wachte er auf. Er hatte auf seine Weise
    einen klassischen Freudschen Traum zusammengeträumt, den
    vom leeren Platz. Was bedeutete er? Daß er vergebens auf
    Lillo Rizzitano wartete und damit sein Leben ruinierte?

    »Commissario? Hier ist Preside Burgio. Ich habe schon eine
    ganze Weile nichts von Ihnen gehört. Gibt's irgendwas Neues
    von unserem gemeinsamen Freund?«
    »Nein.«
    Montalbano war einsilbig und kurz angebunden, auch auf
    die Gefahr hin, unhöflich zu erscheinen. Lange oder
    überflüssige Telefongespräche mußte er abblocken, denn wenn
    Rizzitano sich entschloß anzurufen und das Telefon besetzt
    war, überlegte er es sich vielleicht anders.
    »Ich glaube, wenn wir mit Lillo sprechen wollen, bleibt
    uns nichts anderes übrig – verzeihen Sie mir diesen Quatsch –,
    als eine spiritistische Sitzung zu veranstalten.«

    Mit Adelina gab es einen fürchterlichen Krach. Die
    Haushälterin war kurz zuvor in die Küche gegangen, wo er sie
    schimpfen hörte. Dann erschien sie bei ihm im Schlafzimmer.
    »Sie haben gestern weder zu Mittag noch zu Abend
    gegessen!«
    »Ich hatte keinen Appetit, Adeli.«
    »Ich rackere mich hier ab und koche die feinsten Sachen,
    und Sie verschmähen sie!«
    »Ich verschmähe sie nicht, ich habe einfach nur keinen
    Appetit.«
    »Und das ganze Haus ist ein Saustall! Ich darf nicht
    putzen und die Wäsche nicht waschen! Seit fünf Tagen haben
    Sie dasselbe Hemd und dieselbe Unterhose an! Sie stinken!«
    »Bitte entschuldige, Adelina, es ist bald vorbei.«
    »Dann sagen Sie mir Bescheid, wenn es vorbei ist, dann
    komm' ich wieder. Vorher setze ich keinen Fuß mehr in dieses
    Haus. Wenn es Ihnen bessergeht, können Sie mich ja
    anrufen.«

    Er ging in die Veranda, setzte sich auf die Bank, stellte das
    Telefon neben sich und sah aufs Meer hinaus. Er konnte nichts
    anderes tun, lesen, denken, schreiben, nichts. Nur das Meer
    anschauen. Er begriff, daß er dabei war, im bodenlosen
    Brunnen einer Obsession zu versinken. Ein Film, den er
    einmal gesehen hatte und dem vielleicht ein Roman von
    Dürrenmatt als Vorlage gedient hatte, fiel ihm ein: Da wartete
    ein Kommissar beharrlich auf einen Mörder, der an einer
    bestimmten Stelle in den Bergen vorbeikommen mußte,
    jedoch nie mehr vorbeikommen würde, aber das wußte der
    Kommissar nicht, er wartete, wartete immer weiter, und
    inzwischen vergingen die Tage, die Monate, die Jahre...

    Gegen elf an diesem Vormittag klingelte das Telefon. Nach
    dem Gespräch mit dem Preside am Morgen hatte niemand
    mehr angerufen. Montalbano hob nicht ab, er war wie
    gelähmt. Er wußte mit absoluter Sicherheit – den Grund dafür
    konnte er sich nicht erklären –, wer am anderen Ende der
    Leitung war. Dann gab er sich einen Ruck und nahm den
    Hörer ab.
    » Pronto ? Commissario Montalbano?«
    Eine schöne, tiefe Stimme, wenn auch die eines alten
    Mannes. »Ja, ich bin's«, antwortete der Commissario und fügte
    – er konnte nicht anders – hinzu: »Endlich!«
    »Endlich«, sagte auch der andere.
    Sie schwiegen einen Augenblick und lauschten nur ihrem
    Atem.
    »Ich bin gerade in Punta Ràisi gelandet. Um dreizehn Uhr
    dreißig könnte ich spätestens bei Ihnen sein. Wenn Ihnen das
    paßt, erklären Sie mir bitte genau, wo ich Sie finde. Ich war
    schon lang nicht mehr im Dorf. Seit einundfünfzig Jahren.«
    Fünfundzwanzig

    Er staubte ab, fegte, wischte im Zeitraffertempo eines
    komischen Stummfilms. Dann ging er ins Bad und wusch sich,
    wie er sich nur einmal in seinem Leben gewaschen hatte – vor
    seinem ersten Rendezvous, als er sechzehn war. Er duschte
    endlos, schnupperte unter den Achseln und an seinen Armen
    und besprühte sich vorsichtshalber noch mit Kölnisch Wasser.
    Er wußte, daß es lächerlich war, aber er wählte seinen besten
    Anzug und die seriöseste Krawatte und bürstete seine Schuhe,
    bis sie glänzten, als wären sie von innen beleuchtet. Dann
    begann er den Tisch zu decken, aber nur mit einem Gedeck, er
    hatte zwar jetzt einen Bärenhunger, wußte aber, daß er keinen
    Bissen runterbringen würde.
    Er wartete. Er wartete unendlich lang. Halb zwei war
    vorbei, und er fühlte sich hundeelend, als würde er ohnmächtig
    werden. Er goß

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