Commissario Montalbano 03 - Der Dieb der süssen Dinge
vier schmalen Schubladen und einen Schrank. Zwei der Schubladen waren voller Fotografien. In einem Winkel befand sich hinter einer Schiebetür aus Plastik ein Kämmerchen mit Toilette, Bidet und Waschbecken. Hier roch es sehr intensiv nach Volupté, dem Parfüm, das der Commissario schon in Lapecoras Büro gerochen hatte. Außer dem Balkon gab es noch ein Fenster, das hinten auf einen kleinen gepflegten Garten hinausging. Montalbano nahm eine der Fotografien; sie zeigte eine schöne Frau Anfang Dreißig mit dunkler Haut und großen ausdrucksvollen Augen, die ein Kind an der Hand hielt. »Frag sie, ob das Karima und Francois sind.«
»Ja«, sagte Buscamo.
»Wo essen sie denn? Hier steht nirgends ein Herd.« Die Alte und der Beamte unterhielten sich lebhaft miteinander, dann berichtete Buscamo, daß das Kind immer bei der Alten aß und Karima auch, wenn sie daheim war, was abends manchmal vorkam. Empfing sie zu Hause Männer?
Die Alte war ganz empört, als sie die Übersetzung vernahm. Karima sei beinah ein dschinn, eine Heilige, ein Mittelding zwischen Mensch und Engel, niemals könne sie haram, etwas Unerlaubtes, machen, sie verdiene sich ihr Brot im Schweiße ihres Angesichts als Dienerin, indem sie Männern ihren Dreck wegputze. Sie sei ein gutes Mädchen und sehr großzügig; für Einkäufe, Kinderhüten und Putzen gebe Karima ihr viel mehr, als sie dafür brauche, und nie wolle sie das Restgeld haben. Der Onkel, sprich Montalbano, sei doch gewiß ein feinfühliger und rechtschaffener Mann, wie könne er da so etwas von Karima denken?
»Erklär ihr«, sagte Montalbano und sah sich dabei die Fotografien in der Schublade an, »daß Allah groß und barmherzig ist, aber wenn sie Scheiße redet, wird Allah sicher böse, weil sie die Justiz hinters Licht führt, und dann schaut sie ziemlich blöd aus der Wäsche.«
Buscamo übersetzte gewissenhaft, und die Alte schwieg, als ob ein Federantrieb abgelaufen wäre. Dann zog ein inwendiges Schlüsselchen ihn wieder auf, und die Alte fing erneut an, in einer Tour zu quasseln. Der Onkel sei sehr weise und habe natürlich recht, er sehe das ganz richtig. In den letzten zwei Jahren habe Karima öfter Besuch von einem jungen Mann erhalten, der in einem großen Auto gekommen sei. »Frag sie, welche Farbe es hatte.«
Der Dialog zwischen der Alten und Buscamo war lang und mühselig.
»Ich glaube, sie meint metallicgrau.«
»Was taten dieser junge Mann und Karima?«
Was ein Mann und eine Frau eben machen, Onkel. Die Alte hatte über ihrem Kopf das Bett quietschen hören.
Verbrachte er die Nächte bei Karima?
Nur einmal, und am nächsten Morgen hatte er Karima mit dem Auto zur Arbeit gefahren.
Aber er war ein böser Mann. Einmal war nachts ein furchtbarer Krach gewesen.
Karima hatte geschrien und geweint, und dann war der böse Mann weggefahren.
Die Alte war raufgelaufen und hatte Karima schluchzend vorgefunden, Schläge hatten Spuren auf ihrem nackten Körper hinterlassen. Francois war zum Glück nicht aufgewacht.
Hat der böse Mann sie zufällig auch Mittwoch abend besucht?
Woher wußte der Onkel das nur? Ja, er war da, hat aber nichts mit Karima gemacht, er hat sie im Auto mitgenommen.
Um wieviel Uhr?
Vielleicht um zehn. Karima hatte Francois zu ihr runtergeschickt und gesagt, sie werde über Nacht wegbleiben. Sie kam am nächsten Morgen gegen neun zurück und verschwand dann mit dem Kind. Hat der böse Mann sie begleitet?
Nein, sie kam mit dem Bus. Aber der böse Mann erschien eine Viertelstunde nachdem Karima und ihr Sohn weggegangen waren. Als er erfuhr, daß die Frau nicht da war, stieg er wieder ins Auto und fuhr los, um sie zu suchen. Hat Karima gesagt, wo sie hin wollte? Nein, sie hat gar nichts gesagt. Sie selbst hat gesehen, wie die beiden zu Fuß Richtung Villaseta Vecchia gingen, da ist die Bushaltestelle. Hatte sie einen Koffer dabei? Ja, einen ganz kleinen.
Die Alte solle nachsehen, ob etwas aus dem Zimmer fehle. Sie riß den Schrank auf, woraufhin sich augenblicklich eine Wolke Volupté ins Zimmer entlud, öffnete ein paar Schubladen und wühlte darin herum. Schließlich sagte sie, Karima habe eine Hose, eine Bluse und Slips in ihrem Koffer, Büstenhalter trage sie keinen.
Dann habe sie noch Kleidung zum Wechseln und Wäsche für den Kleinen eingepackt.
Sie solle genau hinschauen, ob sonst noch etwas fehle. Ja, das große Buch, das immer neben dem Telefon lag. Es stellte sich heraus, daß das Buch eine Art Notiz- und Tagebuch war. Bestimmt hatte
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