Commissario Montalbano 03 - Der Dieb der süssen Dinge
Commissario zu erwürgen versuchte.
»Gehen Sie weg!« rief Montalbano den beiden zu. »Gehen Sie! Es ist nichts! Alles in Ordnung!« Die Angestellten verzogen sich und schlossen die Tür. Montalbano zupfte sich in aller Ruhe seinen Kragen zurecht und sah Marzachi an, der sich mit dem Rücken an die Wand gelehnt hatte, sobald er wieder frei war. »Jetzt hab' ich dich reingelegt, Marzachi. Die beiden haben es gesehen. Und weil sie dich hassen, wie übrigens alle deine Angestellten dich hassen, sind sie gern bereit auszusagen. Körperverletzung eines Beamten. Was ist? Legst du Wert auf eine Anzeige?«
»Warum wollen Sie mich ruinieren?«
»Weil ich dich für verantwortlich halte.«
»Wofür denn, Dio santo?«
»Für das ganze Übel. Für die Briefe, die von Vigàta nach Vigàta zwei Monate brauchen, für die Pakete, die aufgeschlitzt und nur noch mit halbem Inhalt bei mir ankommen - und du erzählst mir was von Postgeheimnis, das du dir in den Arsch stecken kannst -, für die Bücher, die ich bestellt habe und die nie ankommen… Du bist ein Stück Scheiße, das sich mit Würde verbrämt, um diese Kloake zuzudecken. Reicht das?«
»Ja«, murmelte Marzachi, fix und fertig.
»Klar hat er Post gekriegt. Nicht viel, aber ab und zu kam schon welche. Eine Firma außerhalb Italiens hat ihm geschrieben, sonst niemand.«
»Von woher?«
»Ich habe nicht darauf geachtet. Aber es war eine ausländische Briefmarke. Ich weiß aber, wie die Firma hieß, der Name stand nämlich auf dem Umschlag. Aslanidis. Ich erinnere mich daran, weil mein Vater selig im Krieg in Griechenland war und da eine Frau kennengelernt hat, die Galatea Aslanidis hieß. Er hat oft von ihr gesprochen.«
»Stand auf dem Umschlag auch, was diese Firma verkauft?«
»Ja. Dattes, das heißt Datteln.«
»Danke, daß Sie so schnell gekommen sind«, sagte Signora Palmisano, Antonietta, frisch verwitwete Lapecora, als sie ihm die Tür aufgemacht hatte.
»Warum? Wollten Sie mich sprechen?«
»Ja. Hat man Ihnen im Kommissariat nicht ausgerichtet, daß ich angerufen habe?«
»Ich war noch gar nicht dort. Ich bin von selbst hergekommen.«
»Das ist ja Kleptomanie!« folgerte die Signora. Der Commissario sah sie überrascht an, aber dann dämmerte ihm, daß sie Telepathie meinte. Ich muß sie mal mit Catarella bekannt machen, dachte Montalbano, und dann schreibe ich die Dialoge der beiden auf. Ionesco ist ja nichts dagegen! »Warum wollten Sie mich denn sprechen, Signora?« Antonietta Palmisano wedelte schelmisch mit dem Finger.
»Nein, nein. Sie zuerst, Sie wollten ja zu mir.«
»Signora, ich möchte Sie bitten, mir genau vorzuführen, was Sie vorgestern früh alles gemacht haben, bevor Sie zu Ihrer Schwester gefahren sind.«
Bestürzt machte die Witwe ihren Mund auf und zu.
»Soll das ein Witz sein?«
»Nein, ganz und gar nicht.«
»Was verlangen Sie von mir, soll ich etwa das Nachthemd anziehen?« fragte Signora Antonietta und wurde rot. »Aber nein, um Himmels willen.«
»Also, lassen Sie mich nachdenken. Ich stand auf, sobald der Wecker klingelte. Ich nahm…«
»Nein, Signora, ich habe mich vielleicht nicht klar genug ausgedrückt. Sie sollen mir nicht sagen, was Sie gemacht haben, Sie sollen es mir zeigen. Gehen wir rüber.« Sie gingen ins Schlafzimmer. Der Schrank stand sperrangelweit offen, ein Koffer voller Frauenkleider lag auf dem Bett. Auf einem der beiden Nachtkästchen stand ein roter Wecker.
»Schlafen Sie auf dieser Seite?« fragte Montalbano. »Ja. Was muß ich tun, soll ich mich hinlegen?«
»Das ist nicht nötig, es genügt, wenn Sie sich auf die Bettkante setzen.«
Die Witwe gehorchte, doch dann fuhr sie auf:
»Aber was hat denn das alles mit dem Mord an Arelio zu tun?«
»Aber ich bitte Sie, Signora. Es ist wichtig. In fünf Minuten sind Sie mich wieder los. Sagen Sie, ist Ihr Mann auch aufgewacht, als der Wecker klingelte?«
»Er hatte einen leichten Schlaf. Beim geringsten Geräusch hat er schon die Augen aufgemacht. Aber wenn ich jetzt so darüber nachdenke, hat er den Wecker gestern früh nicht gehört. Ja, stimmt: Er war wohl ein bißchen erkältet, seine Nase war verstopft, er hat nämlich gleich angefangen zu schnarchen, was er fast nie tat.«
Was für ein miserabler Schauspieler, der arme Lapecora.
Aber er hatte Glück, wenigstens diesmal.
»Weiter.«
»Ich stand auf, nahm meine Kleider, die über diesem Stuhl lagen, und ging ins Bad.«
»Gehen wir rüber.«
Verlegen ging die Signora voraus. Als sie im Bad
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