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Commissario Montalbano 03 - Der Dieb der süssen Dinge

Commissario Montalbano 03 - Der Dieb der süssen Dinge

Titel: Commissario Montalbano 03 - Der Dieb der süssen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Plötzlich fing Francois wieder an zu reden. Er erzählte mir, daß seine Mutter an jenem Morgen ganz verängstigt nach Hause gerannt kam. Sie sagte zu ihm, daß sie weg müßten. Sie machten sich auf den Weg ins Zentrum von Villaseta, seine Mutter hatte gesagt, sie müßten zum Bus.«
    »Zu welchem Bus?«
    »Er weiß es nicht. Während sie auf den Bus warteten, hielt ein Auto neben ihnen, das er gut kannte, es war das Auto eines bösen Mannes, der seine Mama manchmal geschlagen hat. Fahrid.«
    »Was hast du gesagt?«
    »Fahrid.«
    »Bist du sicher?«
    »Absolut. Er hat mir sogar erklärt, daß man es mit einem h zwischen dem a und dem r schreibt.« Der liebe Neffe von Signor Lapecora, der Eigentümer des metallicgrauen BMW, hatte also einen arabischen Namen. »Erzähl weiter.«
    »Dieser Fahrid stieg aus, packte Karima am Arm und wollte sie zwingen, ins Auto zu steigen. Die Frau hat sich gewehrt und Francois zugeschrien, er solle weglaufen. Der Kleine ist geflohen, Fahrid war zu sehr mit Karima beschäftigt, er mußte sich entscheiden. Francois hat sich voller Angst versteckt. Er traute sich nicht zu der Frau zurück, die er >meine Oma< nennt.«
    »Aisha.«
    »Vor lauter Hunger, um zu überleben, hat er den anderen Kindern das Essen geklaut. Nachts ging er zum Haus, aber es war dunkel, und er fürchtete, Fahrid könnte ihm auflauern. Er fühlte sich verfolgt und schlief unter freiem Himmel. Gestern nacht konnte er nicht mehr, er wollte um jeden Preis wieder nach Hause. Das ist der Grund, warum er so nahe gekommen ist.« Montalbano schwieg. »Und, was denkst du?«
    »Daß wir ein Waisenkind im Haus haben.« Livia wurde blaß und fragte mit zitternder Stimme: »Wie kommst du darauf?«
    »Hör zu, was ich mir zu der ganzen Geschichte überlegt habe, auch nach dem, was du mir gerade erzählt hast. Also, vor etwa fünf Jahren kommt diese bildschöne Tunesierin mit ihrem kleinen Sohn auf unsere Insel. Sie sucht Arbeit als Dienstmädchen, die sie leicht findet, auch weil sie die Geliebte älterer Herren wird. So lernt sie Lapecora kennen. Aber dann tritt dieser Fahrid in ihr Leben, der möglicherweise Zuhälter ist. Kurzum - Fahrid faßt den Plan, Lapecora zur Wiederaufnahme seiner alten Import-Export-Firma zu zwingen und sich ihrer als Fassade für unsaubere Geschäfte zu bedienen - Drogen oder Prostitution, das weiß ich nicht. Lapecora, der im Grunde eine ehrliche Haut ist, wird es angst und bange, weil ihm die Sache nicht geheuer ist, und er versucht sich auf ziemlich naive Art und Weise aus der schwierigen Situation auszuklinken. Stell dir vor, er schickt seiner Frau anonyme Briefe gegen sich selbst. Die Sache geht weiter, aber dann ist Fahrid gezwungen zu verschwinden, warum, weiß ich nicht. Doch jetzt muß er Lapecora aus dem Weg räumen. Er sorgt dafür, daß Karima eine Nacht in Lapecoras Wohnung verbringt, wo sie sich im Arbeitszimmer versteckt. Lapecoras Frau muß tags darauf nach Fiacca, dort lebt ihre kranke Schwester. Wer weiß, vielleicht hat Karima Lapecora auch tolle Liebesspiele im Ehebett in Aussicht gestellt, wenn seine Frau fortwäre. Sehr früh am nächsten Morgen, als Signora Lapecora weg ist, läßt Karima Fahrid in die Wohnung, und der bringt den alten Mann um. Vielleicht hat Lapecora auch versucht zu fliehen und wurde deshalb im Fahrstuhl gefunden. Aber nach dem, was du mir gerade erzählt hast, hat Karima wohl nichts von Fahrids Mordabsichten gewußt. Als sie sieht, daß ihr Komplize Lapecora erstochen hat, rennt sie weg. Aber sie kommt nicht weit. Fahrid findet sie und verschleppt sie. Bestimmt hat er sie dann umgebracht, damit sie nicht redet. Der Beweis dafür ist, daß er noch mal in Karimas Haus gegangen ist, um alle Fotos von ihr verschwinden zu lassen - er will nicht, daß sie identifiziert wird.«
    Livia begann leise zu weinen.
    Montalbano blieb allein zurück, Livia hatte sich zu Francois ins Bett gelegt. Der Commissario wußte nicht, was er tun sollte, und setzte sich in die Veranda. Am Himmel fand eine Art Duell zwischen zwei Möwen statt, am Strand ging ein Pärchen spazieren, die beiden küßten sich hin und wieder, aber gelangweilt, als folgten sie einem Drehbuch. Er ging wieder hinein, holte den letzten Roman des seligen Bufalino, den mit dem blinden Fotografen, und setzte sich wieder in die Veranda. Er sah den Umschlag an, las den Klappentext und schlug das Buch wieder zu. Er konnte sich nicht konzentrieren. Er spürte, wie langsam ein stechendes Unbehagen in ihm aufstieg. Und

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