Commissario Montalbano 03 - Der Dieb der süssen Dinge
erklärte Fazio genau, was er zu tun habe. «Galluzzo, hierher!«
»Zu Ihren Diensten.«
Er erklärte Galluzzo genau, was er zu tun habe. »Kann ich reinkommen?«
Es war Tortorella; er stieß die Tür mit dem Fuß auf, weil er in den Händen einen ungefähr achtzig Zentimeter hohen Papierstapel trug.
»Was gibt's denn?«
»Dottor Didio hat sich beschwert.«
Didio, der Verwaltungschef in der Questura von Montelusa, trug den Spitznamen II flagello di Dio, die Geißel Gottes, oder L'ira di Dio, der Zorn Gottes, weil er so ein Sturkopf war.
»Worüber hat er sich denn beschwert?«
»Daß Sie so weit im Rückstand sind, Dottore. Mit dem Unterschreiben.« Er setzte die achtzig Zentimeter Papier auf Montalbanos Schreibtisch ab. »Fangen Sie ganz gemütlich an.«
Nach einer Stunde, als ihm die Hand vor lauter Unterschreiben schon weh tat, kam Fazio. »Dottore, Sie haben recht. Gleich nach Vigàta, in Cannatello, hat der Bus auf der Strecke Vigàta-Fiacca eine Haltestelle. Fünf Minuten später kommt der Bus, der die Strecke in der Gegenrichtung bedient, von Fiacca nach Vigàta, und der hält auch in Cannatello.«
»Theoretisch könnte man also in Vigàta den Bus nach Fiacca nehmen, in Cannatello aussteigen, fünf Minuten später in den Bus Fiacca-Vigàta einsteigen und in die Stadt zurückfahren.«
»Natürlich, Dottore.«
»Danke, Fazio. Gutgemacht.«
»Warten Sie, Dottore. Ich habe den Fahrkartenverkäufer des Frühbusses kommen lassen, der heute die Strecke Fiacca-Vigàta gefahren ist. Er heißt Lopipàro. Kann er reinkommen?«
»Klar!«
Lopipàro, ein mürrischer, hagerer Mensch Anfang Fünfzig, stellte als erstes richtig, er sei kein Fahrkartenverkäufer, sondern Busfahrer mit den Befugnissen eines Fahrkartenverkäufers, denn Fahrkarten würden in den Tabakläden verkauft, und er nehme sie den Leuten im Bus nur wieder ab.
»Signor Lopipàro, was in diesem Zimmer gesprochen wird, muß unter uns dreien bleiben.«
Der Busfahrer-Fahrkartenverkäufer legte zum Zeichen feierlichen Schwures eine Hand auf sein Herz.
»Ich kann schweigen wie ein Grab«, sagte er.
»Signor Lopiparo…«
»Lopiparo.«
»Signor Lopipàro, kennen Sie die Witwe Lapecora, die Signora, deren Mann umgebracht wurde?«
»Klar kenn' ich die! Sie gehört zu meinen Stammkunden.
Mindestens dreimal in der Woche fährt sie nach Fiacca und zurück. Sie besucht ihre kranke Schwester, und auf der Fahrt redet sie immer von ihr.«
»Jetzt bitte ich Sie, Ihr Gedächtnis anzustrengen.«
»Wenn Sie mir befehlen, mich anzustrengen, dann strenge ich mich an!«
»Haben Sie Signora Lapecora am Donnerstag letzter Woche gesehen?«
»Da muß ich mich gar nicht anstrengen. Natürlich habe ich sie gesehen. Ich habe sogar mit ihr gestritten!«
»Sie haben mit Signora Lapecora gestritten?«
»Allerdings! Signora Lapecora ist ziemlich geizig, wie jeder weiß. Also, Donnerstag früh nahm sie den Sechs-Uhr-Dreißig-Bus nach Fiacca. Aber in Cannatello sagte sie zu meinem Kollegen Cannizzaro, dem Fahrer, sie müßte wieder zurück, weil sie etwas vergessen hätte, was sie ihrer Schwester mitbringen wollte. Cannizzaro ließ sie aussteigen, das hat er mir am selben Abend noch erzählt. Fünf Minuten später kam ich auf dem Weg nach Vigàta da vorbei, ich hielt in Cannatello, und die Signora stieg in meinen Bus ein.«
»Und warum haben Sie mit ihr gestritten?«
»Weil Sie mir die Fahrkarte für die Strecke Cannatello-Vigàta nicht geben wollte. Sie fand, sie brauchte nicht zweimal zahlen, nur weil sie was vergessen hätte. Aber ich muß so viele Fahrkarten haben, wie ich Fahrgäste dabei habe. Signora Lapecora wollte, daß ich ein Auge zudrücke, aber das geht doch nicht!«
»Natürlich nicht!« sagte Montalbano. »Aber eine Frage noch: Angenommen, die Signora braucht eine halbe Stunde, um das, was sie angeblich zu Hause vergessen hat, zu holen. Wie kommt sie dann am Vormittag noch nach Fiacca?»
»Sie nimmt den Bus, der von Montelusa nach Trapani fährt. Der ist um Punkt halb acht in Vigàta. Dann kommt sie nur eine Stunde später an.«
»Genial«, stellte Fazio fest, als Lopipàro fortwar. »Wie sind Sie denn darauf gekommen?«
»Der kleine Francois hat mich drauf gebracht, als er ein Puzzle legte.«
»Aber warum hat sie das gemacht? War sie eifersüchtig auf die tunesische Putzfrau?«
»Nein. Signora Lapecora ist geizig, wie wir von dem Busfahrer wissen. Sie fürchtete, ihr Mann könnte alles, was er hatte, für diese Frau ausgeben. Und dann gab es
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