Commissario Montalbano 03 - Der Dieb der süssen Dinge
Gesichtsausdruck nicht und sagte kein Wort.
»Haben Sie es schon mal gesehen?«
»Solche Messer gibt es überall.«
Langsam griff der Commissario noch mal in die Schublade und holte die Zellophantüte mit der Tasse heraus. »Kennen Sie diese Tasse?«
»Haben Sie sie genommen? Ich habe sie überall gesucht und meine ganze Wohnung auf den Kopf gestellt!«
»Sie gehört also Ihnen. Sie erkennen Sie offiziell.«
»Natürlich. Was wollen Sie denn mit dieser Tasse?«
»Ich brauche sie, um Sie hinter Gitter zu bringen.« Unter allen möglichen Reaktionen entschied sich die Witwe für eine, die der Commissario fast bewundernswert fand. Denn die Signora wandte ihren Kopf Fazio zu und fragte freundlich, als sei sie zu einem Höflichkeitsbesuch gekommen: »Spinnt der jetzt?«
Fazio hätte am liebsten offen und ehrlich geantwortet, daß der Commissario seiner Meinung nach von Geburt an nicht richtig ticke, aber er hielt den Mund und starrte aus dem Fenster.
»Ich erzähle Ihnen jetzt, was geschehen ist«, sagte Montalbano. »Also, an jenem Morgen klingelt der Wecker, Sie stehen auf und gehen ins Bad. Sie müssen an der Tür zum Arbeitszimmer vorbei und sehen, daß sie geschlossen ist. Sie denken sich erst nichts dabei, aber dann fällt es Ihnen wieder ein. Und als sie aus dem Bad kommen, öffnen Sie die Tür. Aber ich glaube nicht, daß Sie reingegangen sind. Sie bleiben einen Augenblick auf der Schwelle stehen, gehen in die Küche, holen ein Messer und stecken es in Ihre Handtasche. Dann gehen Sie aus dem Haus, nehmen den Bus, steigen in Cannatello aus, steigen um in den Bus nach Vigàta und fahren wieder heim. Sie öffnen die Tür und sehen Ihren Mann, der gerade die Wohnung verlassen will. Es kommt zu einem Streit, Ihr Mann öffnet die Tür des Fahrstuhls, der schon in Ihrer Etage ist, weil Sie ihn gerade benutzt haben, Sie folgen ihm, stechen ihn nieder, Ihr Mann dreht sich halb um sich selbst und fällt zu Boden. Sie setzen den Fahrstuhl in Bewegung, fahren ins Erdgeschoß und verlassen das Haus. Und niemand sieht Sie. Das war Ihr großes Glück.«
»Und warum soll ich das getan haben?« fragte die Signora ruhig. Und fügte mit einer für den Ort und die Situation unglaublichen Ironie hinzu:
»Nur weil mein Mann die Tür zum Arbeitszimmer zugemacht hatte?«
Montalbano deutete im Sitzen eine bewundernde Verbeugung an.
»Nein, Signora, weil hinter dieser Tür etwas war.«
»Und was war da?«
»Karima. Die Geliebte Ihres Mannes.«
»Aber Sie haben doch gerade selbst gesagt, daß ich gar nicht in dem Zimmer war!«
»Sie brauchten nicht reinzugehen. Es kamen Ihnen nämlich Parfumschwaden entgegen, von demselben Parfüm, das Karima überreichlich benutzte. Es heißt Volupté. Es ist sehr intensiv und hält lange an. Der Duft hing auch in den Kleidern Ihres Mannes, und Sie haben ihn wahrscheinlich schon öfter gerochen. Als ich an dem Abend, als Sie heimkamen, das Arbeitszimmer betrat, roch es dort immer noch danach, wenn auch weniger stark.« Die Witwe Lapecora schwieg; sie dachte über die Worte des Commissario nach.
»Darf ich Sie was fragen?« erkundigte sie sich dann. »Was Sie wollen.«
»Warum bin ich Ihrer Meinung nach nicht in das Arbeitszimmer gegangen und habe erst diese Frau umgebracht?«
»Weil Ihr Gehirn präzise wie eine Schweizer Uhr und schnell wie ein Computer funktioniert. Wenn Karima gesehen hätte, daß die Tür aufgeht, wäre sie auf der Hut gewesen und hätte sofort reagieren können. Ihr Mann, der auf das Geschrei hin sofort gekommen wäre, hätte Sie mit Karimas Hilfe entwaffnet. Aber Sie taten, als hätten Sie nichts gemerkt, um die beiden kurz darauf in flagranti erwischen zu können.«
»Und wie erklären Sie sich - wenn man Ihren Gedankengängen folgt -, daß nur mein Mann umgebracht wurde?«
»Als Sie zurückkamen, war Karima nicht mehr da.«
»Sagen Sie mal, wer hat Ihnen diese hübsche Geschichte eigentlich erzählt, Sie waren doch gar nicht dabei?«
»Ihre Fingerabdrücke auf der Tasse und auf dem Messer.«
»Auf dem Messer nicht!« fuhr sie auf.
»Warum nicht auf dem Messer?«
Die Signora biß sich auf die Lippen.
»Die Tasse gehört mir, das Messer nicht.«
»Auch das Messer gehört Ihnen, es ist ein Fingerabdruck von Ihnen drauf. Klar und deutlich.«
»Das kann gar nicht sein!«
Fazio starrte seinen Chef an, er wußte, daß auf dem Messer kein Fingerabdruck war; das war der heikelste Moment des Bluffs.
»Sie gehen davon aus, daß es keine Fingerabdrücke gibt,
Weitere Kostenlose Bücher