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Commissario Montalbano 04 - Die Stimme der Violine

Commissario Montalbano 04 - Die Stimme der Violine

Titel: Commissario Montalbano 04 - Die Stimme der Violine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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und rannte gleich ans Telefon.
    »Salvo, ma che minchia! Was soll denn dieser Scheiß?! Bist ja ein netter Freund!«
    Er erkannte die Stimme von Nicolò Zito, dem Journalisten von »Retelibera«, mit dem ihn eine aufrichtige Freundschaft verband.
    »Ist es wahr, dass du den Fall nicht mehr hast? Ich habe es nicht berichtet, weil ich erst eine Bestätigung von dir wollte. Aber wenn es stimmt, warum hast du mir dann nichts gesagt?«
    »Tut mir Leid, Nicolò, das ist gestern spät abends passiert.
    Und heute Morgen bin ich schon früh weg, ich habe Francois besucht.«
    »Soll ich im Fernsehen was bringen?«
    »Nein, danke. Ah ja, als Entschädigung erzähl ich dir was, was du bestimmt noch nicht weißt. Dottor Panzacchi hat den Bauingenieur Aurelio Di Blasi aus Vigàta zur Vernehmung in die Questura mitgenommen.«
    »Hat er sie umgebracht?«
    »Nein, sie verdächtigen seinen Sohn Maurizio, er ist in derselben Nacht verschwunden, in der die Licalzi ermordet wurde. Er, der Junge, war total in sie verknallt. Ach ja, noch was. Der Ehemann des Opfers ist in Montelusa, im Hotel Jolly.«
    »Salvo, wenn sie dich bei der Polizei rausschmeißen, stell ich dich ein. Schau dir die Spätnachrichten an. Und danke, ja? Tausend Dank.«
    Montalbanos schlechte Laune verschwand, noch während er den Hörer auflegte.
    Das hatte Dottor Ernesto Panzacchi jetzt davon: Um Mitternacht würde alle Welt über sein Tun und Lassen Bescheid wissen.
    Er hatte überhaupt keine Lust zu essen. Er zog sich aus und duschte ausgiebig. Er zog frische Unterwäsche an. Jetzt kam ein schwieriges Kapitel.
    »Livia.«
    »Ach, Salvo, ich warte schon so lange auf deinen Anruf!
    Wie geht es Francois?«
    »Sehr gut, er ist groß geworden.«
    »Hast du gesehen, was er für Fortschritte gemacht hat? Er spricht jede Woche, wenn ich ihn anrufe, besser Italienisch. Er kann sich gut verständlich machen, nicht wahr?«
    »Zu gut.«
    Livia achtete nicht darauf, eine andere Frage lag ihr schon auf den Lippen.
    »Was wollte Franca?«
    »Sie wollte mit mir über Francois sprechen.«
    »Ist er zu lebhaft? Gehorcht er nicht?«
    »Livia, es geht um etwas anderes. Vielleicht war es ein Fehler, dass wir ihn so lange bei Franca und ihrem Mann gelassen haben. Der Kleine hat sie lieb gewonnen, er hat gesagt, dass er nicht mehr von ihnen weg will.«
    »Hat er dir das gesagt?«
    »Ja, spontan.«
    »Spontan! Bist du blöd!«
    »Warum?«
    »Weil die ihm gesagt haben, dass er so mit dir reden soll! Sie wollen ihn uns wegnehmen! Sie brauchen eine kostenlose Arbeitskraft für ihren Hof, diese Schufte!«
    »Livia, das ist doch absurd.«
    »Nein, es ist so, wie ich es sage! Sie wollen ihn behalten! Und du bist froh, dass du ihn dort lassen kannst!«
    »Livia, jetzt sei doch mal vernünftig.«
    »Ich bin vernünftig, mein Lieber, sehr vernünftig! Und ich werde es euch schon noch zeigen, dir und diesen beiden Kinderdieben!«
    Sie legte auf. Ohne sich etwas überzuziehen, setzte sich der Commissario in die Veranda, steckte sich eine Zigarette an und ließ der Melancholie, die er schon seit Stunden spürte, endlich freien Lauf. Francois war längst verloren da konnte Franca die Entscheidung noch so sehr Livia und ihm überlassen. Was Mimis Schwester gesagt hatte, war die nackte und grausame Wahrheit: Kinder sind keine Pakete, die man heute hier und morgen da abstellt. Man kann ihre Gefühle nicht einfach außer Acht lassen. Avvocato Rapisarda, der Anwalt, der sich in seinem Namen um das Adoptionsverfahren kümmerte, hatte gesagt, es werde sich mindestens noch sechs weitere Monate hinziehen.
    Und Francois hätte reichlich Zeit, um in der Familie Gagliardo tiefe Wurzeln zu schlagen. Livia hatte Hirngespinste, wenn sie meinte, Franca habe ihm die Worte, die er sagen sollte, in den Mund gelegt. Er, Montalbano, hatte Francis' Blick gesehen, als er ihm entgegenging und ihn umarmen wollte. Jetzt erinnerte er sich genau an diese Augen: Angst und kindlicher Hass waren darin. Er konnte die Gefühle des Jungen ja auch verstehen: Er hatte schon seine Mutter verloren und fürchtete, nun auch seine neue Familie zu verlieren. Im Grunde genommen waren Livia und er ja nur ganz kurz mit dem Kind zusammen gewesen, ihr Bild war bald verblasst. Montalbano fühlte, dass er es nie und nimmer übers Herz bringen würde, Francois ein weiteres Trauma zuzufügen. Er hatte kein Recht dazu. Und Livia auch nicht. Der Junge war für immer verloren. Er selbst, Montalbano, wäre einverstanden, wenn er bei Aldo und Franca bliebe,

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