Commissario Montalbano 04 - Die Stimme der Violine
mir Leid.«
»Was gibt es, Commissario?«
»Ich habe mit einem Freund, Sie wissen ja, wie das ist, über dieses und jenes gesprochen, und er hat mir gesagt, dass Sie eine schöne Sammlung von Videos haben, die Sie selbst drehen, wenn Sie auf die Jagd gehen.«
Endlos lange Pause. Im Hirn des Avvocato rotierte es.
»Stimmt.«
»Wären Sie bereit, mir das eine oder andere zu zeigen?«
»Wissen Sie, ich bin sehr auf meine Sachen bedacht. Aber wir könnten uns einig werden.«
»Genau das wollte ich von Ihnen hören.«
Sie verabschiedeten sich wie die besten Kumpel. Es war klar, was geschehen war. Guttadauros Freunde, sicher mehr als einer, beobachten zufällig, wie Maurizio erschossen wird. Und als sie sehen, wie ein Polizeibeamter eilig wegfährt, wird ihnen klar, dass Panzacchi eine Strategie ausgetüftelt hat, um Gesicht und Karriere zu retten. Da macht sich einer der Freunde schnell auf den Weg, um eine Videokamera zu besorgen. Und kommt rechtzeitig zurück, um zu filmen, wie die Beamten für die Fingerabdrücke des Toten auf der Handgranate sorgen. Jetzt sind Guttadauros Freunde ebenfalls im Besitz einer Bombe, wenn auch einer Bombe der anderen Art, und lassen ihn auf den Plan treten.
Eine scheußliche und gefährliche Situation, aus der man unbedingt herausmusste.
»Ingegnere Di Blasi? Hier ist Commissario Montalbano. Ich müsste Sie dringend sprechen.«
»Warum?«
»Weil ich großen Zweifel an der Schuld Ihres Sohnes habe.«
»Er ist ja doch nicht mehr da.«
»Ja, Sie haben Recht, Ingegnere. Aber sein Andenken.«
»Tun Sie, was Sie meinen.«
Er hatte resigniert, war wie ein Toter, der atmete und sprach. »In spätestens einer halben Stunde bin ich bei Ihnen.«
Er war überrascht, als Anna ihm die Tür öffnete. »Sprich leise. Die Signora schläft endlich.«
»Was machst du denn hier?«
»Du hast mich da reingezogen. Und dann habe ich es nicht mehr übers Herz gebracht, sie allein zu lassen.«
»Wie, allein? Haben sie nicht mal eine Krankenschwester gerufen?«
»Doch schon, natürlich. Aber sie will mich. Jetzt komm rein.«
Im Wohnzimmer war es noch dunkler als beim letzten Mal, als die Signora ihn empfangen hatte. Montalbano zog es das Herz zusammen, als er Aurelio Di Blasi sah, der quer über einem Sessel lag. Er hielt seine Augen geschlossen, hatte aber gemerkt, dass der Commissario da war, denn er sagte etwas.
»Was wollen Sie?«, fragte er mit dieser schrecklichen toten Stimme.
Montalbano erklärte ihm, was er wollte. Er redete eine Stunde am Stück und beobachtete, wie der Ingegnere sich nach und nach aufrichtete, die Augen öffnete, ihn ansah und interessiert zuhörte. Er begriff, dass er dabei war, zu gewinnen.
»Hat die Mordkommission die Schlüssel zur Villa?«
»Ja«, sagte der Ingegnere mit veränderter, festerer Stimme.
»Aber ich hatte ein drittes Paar Schlüssel nachmachen lassen, Maurizio bewahrte sie in der Schublade seines Nachtkästchens auf. Ich hole sie.«
Er schaffte es nicht, aus dem Sessel aufzustehen, der Commissario musste ihm helfen.
Er raste ins Kommissariat. »Fazio, Gallo, Giallombardo, kommt mit.«
»Nehmen wir den Streifenwagen?«
»Nein, wir fahren mit meinem Auto. Ist Mimi Augello wieder da?«
Er war noch nicht zurück. Montalbano brauste davon, Fazio hatte noch nie erlebt, dass sein Chef so schnell fuhr. Es wurde ihm ganz anders, er traute Montalbanos Fahrkünsten nicht recht.
»Soll ich vielleicht fahren?«, fragte Gallo, der anscheinend aus demselben Grund wie Fazio beunruhigt war.
»Nervt mich nicht! Wir haben wenig Zeit.«
Von Vigàta nach Raffadali brauchte er etwa zwanzig Minuten. Hinter dem Dorf bog er in einen Feldweg ein. Der Ingegnere hatte ihm genau erklärt, wie man zu dem Haus kam. Alle erkannten es, sie hatten es immer wieder im Fernsehen gesehen.
»Jetzt gehen wir rein, ich habe die Schlüssel«, sagte Montalbano, »und durchsuchen alles gründlich. Wir haben noch ein paar Stunden Tageslicht, das müssen wir ausnutzen.
Was wir suchen, müssen wir finden, bevor es dunkel wird, weil wir das elektrische Licht nicht anschalten dürfen, man könnte es von außen sehen. Klar?«
»Völlig klar«, sagte Fazio, »aber was suchen wir eigentlich?«
Der Commissario sagte es ihm und fügte hinzu:
»Ich hoffe, dass ich mich irre, ich hoffe es aufrichtig.«
»Aber wir werden Fingerabdrücke hinterlassen, wir haben keine Handschuhe dabei«, sagte Giallombardo besorgt.
»Scheißegal.«
Doch der Commissario hatte sich leider nicht geirrt.
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