Commissario Montalbano 05 - Das Spiel des Patriarchen
schwefeliger Atem ihm das linke Ohr versengte.
»Sorg dafür, dass sie sich besser kennen lernen«, befahl der Teufel.
Und Montalbano beugte sich seinem Willen. »Haben Sie noch fünf Minuten Zeit?«, fragte er Beatrice lächelnd. »Ja. Ich habe den ganzen Nachmittag frei.«
» Und du, Mimi, hast du schon gegessen?«
»No. no. noch nicht.«
»Dann setz dich an meinen Platz und bestell dir was, und die Signorina erzählt dir das, was sie mir über die Griffos erzählt hat. Ich habe leider etwas Dringendes zu erledigen. Wir sehen uns später im Büro, Mimi. Und danke noch mal, Signorina Dileo.«
Beatrice setzte sich wieder hin, Mimi sank auf den Stuhl, so steif, als stecke er in einer mittelalterlichen Rüstung. Er begriff immer noch nicht, wie ihm diese göttliche Gnade zuteil geworden war, doch die Krönung war die ungewöhnliche Liebenswürdigkeit des Commissario. Der trällernd die Trattoria verließ. Er hatte einen Samen ausgeworfen. Wenn der Boden fruchtbar war (und er zweifelte nicht an der Fruchtbarkeit von Mimis Boden), würde dieser Samen aufgehen. Und dann adieu Rebecca, oder wie auch immer sie hieß, adieu Versetzungsantrag. »Entschuldigen Sie, Commissario, aber finden Sie nicht, dass Sie ein bisschen gemein waren?«, fragte die Stimme von Montalbanos Gewissen dessen Eigentümer ungehalten. »Bih, che camurrìa! Du nervst!«, lautete die Antwort.
Vor dem Café Caviglione lehnte Arturo, der Wirt, am Türpfosten und sonnte sich. Er war gekleidet wie ein Bettler, Jackett und Hose abgetragen und fleckig, trotz der vier, fünf Milliarden, die er mit Wucherzinsen gemacht hatte. Ein Geizhals, der aus einer Familie legendärer Geizhälse stammte. Einmal hatte er dem Commissario ein gelbes Schild voller Fliegendreck gezeigt, das sein Großvater zu Beginn des Jahrhunderts im Lokal aufgehängt hatte: Chi s'aseta al tavolino devi pi forza consummare macari un bicchieri d'aqua. Un bicchieri d'aqua consta centesimi due. Wer sich an einen Tisch setzt, muss auch ein Glas Wasser trinken. Ein Glas Wasser kostet zwei Centesimi.
»Commissario, möchten Sie einen Kaffee?«
Sie gingen hinein.
»Einen Kaffee für den Commissario!«, befahl Arturo dem Barmann, während er das Geld, das Montalbano aus der Hosentasche genommen hatte, in die Kasse legte. An dem Tag, an dem Arturo sich durchringen würde, den Krümel einer brioscia gratis herzugeben, würde sich bestimmt eine Katastrophe ereignen, an der Nostradamus seine Freude gehabt hätte. »Was gibt's, Artù?«
»Ich wollte Ihnen wegen der Geschichte mit den Griffos was sagen. Ich kenne sie, weil sie sich im Sommer jeden Sonntagabend an einen Tisch setzen, immer allein, und zwei Stück Eistorte bestellen: eine cassata für ihn und eine NUSS mit Sahne für sie. An dem Morgen habe ich sie gesehen.«
»An welchem Morgen?«
»An dem Morgen, als sie nach Tindari fuhren. Die Busse haben ihre Endstation da vorn, an der Piazza. Ich mache um sechs auf, eine Minute hin oder her. Nun, die Griffos standen schon hier draußen, vor dem geschlossenen Rollladen. Und der Bus sollte um sieben abfahren, stellen Sie sich das vor!«
»Haben sie etwas getrunken oder gegessen?«
»Jeder eine warme brioscia, die die Bäckerei zehn Minuten vorher geliefert hatte. Der Bus kam um halb sieben. Der Fahrer, der Filippu heißt, ist reingekommen und hat einen Kaffee bestellt. Da ist Signor Griffo zu ihm gegangen und hat ihn gefragt, ob sie schon einsteigen könnten. Filippu hat ja gesagt, und sie sind rausgegangen und haben nicht mal bongiorno gesagt. Hatten sie etwa Angst, sie könnten den Bus verpassen?«
»Ist das alles?«
»Na ja, schon.«
»Sag mal, Artù, kanntest du den Jungen, der erschossen wurde?«
»Nene Sanfilippo? Bis vor zwei Jahren kam er regelmäßig zum Billardspielen her. Danach hat er sich selten blicken lassen. Nur nachts.«
»Wie, nur nachts?«
»Commissà, ich schließe um eins. Er kam ab und zu und hat ein paar Flaschen gekauft, Whisky, Gin, so Zeug. Er kam mit dem Auto, und im Auto saß meistens irgendein Mädchen.«
»Kanntest du die?«
»Nonsi. Vielleicht hat er sie aus Palermo mitgebracht, aus Montelusa, das war ihm doch scheißegal woher.«
Als er am Kommissariat angekommen war, hatte er keine Lust hineinzugehen. Auf seinem Tisch erwartete ihn ein schwankender Stapel Papiere, die er unterschreiben musste, und schon bei dem Gedanken daran tat ihm sein rechter Arm weh. Er versicherte sich, dass er genug Zigaretten dabeihatte, setzte sich wieder
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