Commissario Montalbano 05 - Das Spiel des Patriarchen
hat, Balduccio oder Tanino?«
Guttadauro überhörte das elegant.
Jetzt waren sie vor der monumentalen Eingangstür aus schwarzem Nussbaumholz mit kupfernen Zierbeschlägen angekommen, die entfernt an einen Sarg amerikanischen Stils erinnerte.
In einem Winkel des Gartens mit lauter hübschen Rosenbeeten, Wein und Blumen und einem pläsierlichen Goldfischbecken (wo hatte dieser Dreckskerl nur das Wasser her?) befand sich ein stabiler und geräumiger Eisenkäfig, in dem vier Dobermänner ohne einen Laut Gewicht und Konsistenz des Gastes abschätzten, wobei es sie sichtlich gelüstete, ihn mitsamt seinen Kleidern zu verschlingen. Offenbar wurde der Käfig nachts geöffnet. »Nein, Dottore«, sagte Guttadauro, als er sah, dass Montalbano auf den als Haustür dienenden Sarg zuging. »Don Balduccio erwartet Sie in der Loggia.«
Sie wandten sich der linken Seite der Villa zu. Die Loggia war ein weiträumiger, nach drei Seiten hin offener Vorplatz, dessen Decke die Terrasse des ersten Stockwerks bildete. Durch die sechs schlanken Bögen, die sie begrenzten, blickte man rechter Hand über eine großartige Landschaft. Kilometer von Strand und Meer, am Horizont unterbrochen von der gezackten Silhouette von Capo Rossello. Doch auf der linken Seite ließ das Panorama viel zu wünschen übrig: eine zubetonierte Ebene ohne den geringsten erholsamen Flecken Grün, in der sich, fern, Vigàta verlor.
In der Loggia gab es ein Sofa, vier bequeme Sessel, einen langen niedrigen Tisch. Ein Dutzend Stühle standen dicht an der einzigen Wand, sie wurden gewiss bei den Vollversammlungen gebraucht.
Don Balduccio, praktisch ein Skelett in Kleidern, saß auf dem zweisitzigen Sofa, mit einem Plaid auf den Knien, obwohl es weder kalt noch windig war. Neben ihm, in einem Sessel, saß ein Pfarrer in Soutane, um die fünfzig und gut beleibt, der sich erhob, als der Commissario eintrat.
»Hier kommt unser lieber Dottor Montalbano!«, rief Guttadauro fröhlich und mit dröhnender Stimme.
»Sie müssen entschuldigen, wenn ich nicht aufstehe«, sagte Don Balduccio mit dünner Stimme, »aber meine Beine tragen mich nicht mehr.«
Er machte keine Anstalten, dem Commissario die Hand zu geben.
»Das ist Don Sciaverio, Sciaverio Crucillà, er war und ist auch weiterhin der geistige Vater von Japichinu, meinem frommen Enkel, der von niederträchtigen Leuten verleumdet und verfolgt wird. Ein Glück, dass er ein tief gläubiger Junge ist, der die Verfolgung, die man ihm antut, im Namen des Herrn erduldet.«
»Der Glaube ist eine feine Sache …«, quoll es aus Padre Crucillà hervor.
». damit ich schlafe und nicht wache«, ergänzte Montalbano den Satz.
Alle drei, Don Balduccio, Guttadauro und der Pfarrer, blickten ihn verwirrt an. »Entschuldigen Sie«, sagte Don Crucillà, »aber ich glaube, Sie verwechseln da was. Das Sprichwort bezieht sich auf das Bett und heißt so: u lettu è 'na gran cosa / si non si dormi, s'arriposa. Das Bett ist eine feine Sache, ob ich nun schlafe oder wache. Oder?«
»Sie haben Recht, ich habe mich geirrt«, gab der Commissario zu. Er hatte sich wirklich geirrt. Was zum Teufel hatte er sich dabei gedacht, einen auf witzig zu machen, ein Sprichwort zu entstellen und in abgewandelter Form den abgedroschenen Satz über die Religion als Opium fürs Volk von sich zu geben? Wäre die Religion doch nur ein Opiat für einen Verbrecher und Mörder wie den netten Enkel von Balduccio Sinagra gewesen! »Ich will nicht länger stören«, sagte der Pfarrer. Er verbeugte sich vor Don Balduccio, der mit einer Geste beider Hände antwortete, verbeugte sich vor dem Commissario, der mit einem knappen Nicken antwortete, und hakte Guttadauro unter. »Sie begleiten mich, nicht wahr, Avvocato?« Das hatten sie, bevor er gekommen war, natürlich vereinbart, damit Don Balduccio unter vier Augen mit ihm reden konnte. Der Avvocato würde später wiederkommen und so seinem Mandanten, wie er ihn, der in Wirklichkeit sein Padrone war, gern nannte, genug Zeit lassen, Montalbano zu sagen, was er ihm ohne Zeugen zu sagen hatte.
»Nehmen Sie Platz«, sagte der Alte und zeigte auf den Sessel, in dem Padre Crucillà gesessen hatte. Montalbano setzte sich.
»Möchten Sie etwas trinken?«, fragte Don Balduccio und langte mit einer Hand an eine kleine Schalttafel mit drei Knöpfen, die an der Armlehne des Sofas angebracht war.
»Nein. Danke.«
Montalbano konnte es sich nicht verkneifen, zu überlegen, wozu die beiden übrigen Knöpfe dienten. Wenn einer
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