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Commissario Montalbano 05 - Das Spiel des Patriarchen

Commissario Montalbano 05 - Das Spiel des Patriarchen

Titel: Commissario Montalbano 05 - Das Spiel des Patriarchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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einverstanden bin, dann kommen Sie am nächsten Tag wieder, wir reden vernünftig, wir reden so lange, bis ich überzeugt bin, dass es nur eine Möglichkeit gibt, nämlich dass ich mich niederknie, wie Sie das wollen, in meinem und in aller Interesse.«
    Plötzlich blitzte in Montalbanos Erinnerung eine Passage aus Manzonis Schandsäule auf, in der ein Unglücklicher so weit gebracht wird, dass er die Worte »sagt mir, was ihr wollt, dass ich sage« oder so ähnlich aussprechen muss. Aber er hatte keine Lust, mit Don Balduccio über Manzoni zu diskutieren.
    »Mir ist jedoch bekannt, dass man auch in jenen glücklichen Tagen, von denen Sie da erzählen, die Leute, die sich nicht niederknien wollten, zu töten pflegte.«
    »Natürlich!«, rief der Alte lebhaft. »Natürlich! Aber einen Mann zu töten, weil er den Gehorsam verweigert hatte, wissen Sie, was das bedeutete?«
    »Nein.«
    »Es bedeutete eine verlorene Schlacht, es bedeutete, dass der Mut dieses Mannes ihm keinen anderen Weg gelassen hatte. Verstehen Sie, was ich meine?«
    »Ich verstehe sehr gut, was Sie meinen. Doch sehen Sie, Signor Sinagra, ich bin nicht hergekommen, um mir die Geschichte der Mafia von Ihrem Standpunkt aus anzuhören.«
    »Aber vom Standpunkt des Gesetzes aus kennen Sie die Geschichte gut!«
    »Natürlich. Aber Sie sind ein Verlierer oder beinahe ein Verlierer, Signor Sinagra. Und die Geschichte schreiben niemals diejenigen, die verloren haben. Zurzeit können sie vielleicht diejenigen besser schreiben, die nicht vernünftig reden und schießen. Die momentanen Sieger. Und jetzt, wenn Sie gestatten …«
    Er machte Anstalten, sich zu erheben, der Alte hielt ihn mit einer Geste auf.
    »Mi scusasse, entschuldigen Sie. Wir Alten leiden, neben vielen anderen Krankheiten, auch an Schwatzhaftigkeit. Commissario, in zwei Worten: Kann sein, dass wir große Fehler gemacht haben. Riesengroße Fehler. Und ich sage wir, weil ich im Namen von Sisino Cuffaro selig und seiner Familie spreche. Sisino war sein ganzes Leben lang mein Feind.«
    »Was ist los, fangen Sie an zu bereuen?«
    »Nonsi, Commissario, ich bereue nicht vor dem Gesetz. Davanti a u Signiruzzu, vor dem Herrgott, wenn die Zeit gekommen ist, schon. Was ich Ihnen sagen wollte, ist Folgendes: Auch wenn wir riesengroße Fehler gemacht haben, haben wir doch immer gewusst, dass es eine Linie gab, die nicht übertreten werden durfte. Niemals. Denn wenn man diese Linie übertrat, gab es keinen Unterschied mehr zwischen einem Menschen und einem Tier.« Erschöpft schloss er die Augen.
    »Ich verstehe«, sagte Montalbano.
    »Haben Sie wirklich verstanden?«
    »Wirklich.«
    »Alles beides?«
    »Ja.«
    »Was ich Ihnen sagen wollte, habe ich also gesagt«, sagte der Alte und schlug die Augen wieder auf. »Wenn Sie gehen wollen, dann tun Sie das. Bonasira.«
    »Buonasera«, erwiderte der Commissario und stand auf. Er ging durch den Hof und die Auffahrt zurück, ohne jemandem zu begegnen. Auf Höhe der beiden Häuschen unter den Araukarien hörte er Kinderstimmen. In einem Häuschen war ein kleiner Junge mit einer Wasserpistole in der Hand, in dem gegenüber griff ein anderer Junge zu einer Lasermaschinenpistole. Anscheinend hatte Guttadauro den bärtigen Gorilla ausquartiert und unverzüglich durch Don Balduccios Urenkel ersetzt, damit der Commissario nicht mehr auf schlechte Gedanken kam. »Peng! Peng!«, machte der mit der Pistole. »Ratatatata«, antwortete der andere mit dem Maschinengewehr.
    Sie übten für später, wenn sie groß waren. Vielleicht brauchten sie ja gar nicht zu wachsen: Just am Tag zuvor war in Fela einer verhaftet worden, den die Zeitungen zu einem »Babykiller« erklärt hatten und der gerade erst elf Jahre alt war. Einer von denen, die geredet hatten (Montalbano mochte sie nicht reumütig und auch nicht Kronzeugen nennen), hatte ausgesagt, dass es eine Art öffentliche Schule gab, in der man den Kindern das Schießen und Töten beibrachte. Don Balduccios Urenkel brauchten diese Schule nicht zu besuchen. Sie konnten zu Hause so viel Privatunterricht nehmen, wie sie wollten. Von Guttadauro keine Spur. Am Tor stand einer, der grüßend   seine   Schirmmütze   abnahm,   als   Montalbano vorbeifuhr, und das Tor sofort wieder schloss. Auf der Fahrt konnte der Commissario gar nicht übersehen, wie perfekt die Straßendecke war, da lag kein Kieselsteinchen, kein Splitt auf dem Asphalt. Vielleicht fegte jeden Morgen ein Sondertrupp die Straße, als wäre sie ein Zimmer. Es

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