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Commissario Montalbano 05 - Das Spiel des Patriarchen

Commissario Montalbano 05 - Das Spiel des Patriarchen

Titel: Commissario Montalbano 05 - Das Spiel des Patriarchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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geschlossen waren und kein Licht hindurchließen, und ging in die Küche. Sanfilippo hatte dort, unter anderem, alles, was man zum Kaffeekochen brauchte, und Montalbano nahm die größte Espressokanne, die er fand, eine für vier Tassen. Während der Kaffee auf dem Herd stand, sah er sich die Wohnung an. Neben dem Computer, den sich Catarella vorgenommen hatte, stand ein Regal voller Disketten, CD-ROM, CD s, Videokassetten. Catarella hatte die Computerdisketten geordnet und einen kleinen Zettel hineingesteckt, auf dem in Druckbuchstaben UNANSTENDIGE DISQUETEN stand. Pornomaterial also. Er zählte die Videokassetten, es waren dreißig. Fünfzehn waren in irgendeinem Sexshop gekauft und hatten bunte Etiketten und unmissverständliche Titel; fünf hatte Nenè selbst aufgenommen und mit verschiedenen Frauennamen betitelt, Laura, Renée, Paola, Giulia, Samantha. Die restlichen zehn waren Originalkassetten, alle knallhart amerikanisch, alles Titel, die auf Sex und Gewalt schließen ließen. Er nahm die Kassetten mit den Frauennamen und nahm sie mit ins Schlafzimmer, wo Nenè Sanfilippos gigantischer Fernseher stand. Der Kaffee war durchgelaufen, er trank eine Tasse, kehrte ins Schlafzimmer zurück, zog Jackett und Schuhe aus, steckte die erstbeste Kassette, Samantha, in das Videogerät, legte sich, zwei Kissen im Rücken, auf das Bett und startete das Band, während er sich eine Zigarette anzündete.
    Das Szenenbild bestand aus einem Doppelbett, dem Bett, auf dem Montalbano lag. Die Szene war ein fester Bildausschnitt: Die Kamera stand noch auf der Kommode gegenüber, bereit für weitere erotische Filmaufnahmen, die nicht mehr stattfinden sollten. Oben, direkt über der Kommode, gab es zwei kleine Scheinwerfer, die, entsprechend ausgerichtet, im richtigen Augenblick eingeschaltet wurden. Samantha - rothaarig, um die eins fünfundfünfzig groß - hatte einen Hang zur Akrobatik, sie war so viel in Bewegung und nahm derart komplizierte Stellungen ein, dass sie oft aus dem Bild verschwand. Nenè Sanfilippo schien sich bei dieser Art Neuauflage des Kamasutra überaus wohl zu fühlen. Die Tonqualität war miserabel, die wenigen Worte waren kaum zu hören, dafür brach das Winseln, Grunzen, Seufzen und Stöhnen in voller Lautstärke los, wie im Fernsehen, wenn die Werbung eingeblendet wird. Die ganze Vorführung dauerte eine Dreiviertelstunde. Geplagt von tödlicher Langeweile legte der Commissario die zweite Kassette ein, Renée. Er konnte gerade noch feststellen, dass das Szenenbild auch hier dasselbe und Renée ein etwa zwanzigjähriges Mädchen war, sehr groß und sehr mager, mit riesigen Brüsten und alles andere als rasiert. Er hatte keine Lust, sich die ganze Kassette anzuschauen, und daher kam es ihm in den Sinn, mit der Fernbedienung vorzuspulen und dann von Zeit zu Zeit zu stoppen. Es kam ihm nur in den Sinn, denn kaum sah er, wie Nenè in sein Schäfchen Renée eindrang, fuhr ihm unwiderstehliche Müdigkeit wie ein Schlag in den Nacken, ließ ihn die Augen schließen und zwang ihn gnadenlos in Tiefschlaf. Sein letzter Gedanke war, dass es kein besseres Schlafmittel gab als Pornografie.
     
    Als er aus dem Schlaf fuhr, wusste er nicht, ob ihn die Schreie von Renée, die einem erdbebenmäßigen Orgasmus anheim fiel, oder die rabiaten Fußtritte an der Wohnungstür geweckt hatten, in die sich das ununterbrochene Läuten der Klingel mischte. Was war da los? Schlaftrunken stand er auf, stoppte das Band, und während er, so wie er war - ungekämmt, in Hemdsärmeln, die Hose auf Halbmast (wann hatte er die, um es sich bequem zu machen, denn aufgeknöpft?), barfuß - an die Tür ging, hörte er eine Stimme, die er nicht sofort erkannte, schreien: »Aufmachen! Polizei!«
    Jetzt blickte er überhaupt nicht mehr durch. War denn nicht er die Polizei?
    Er öffnete und war entsetzt. Als Erstes sah er Mimi Augello in korrekter Schießhaltung (Beine angewinkelt, Hintern etwas zurück, Arme ausgestreckt, beide Hände am Pistolengriff), hinter ihm Signora Burgio Concetta verwitwete Lo Mascolo, und wieder dahinter eine Menschenmenge, die sich sowohl auf dem Treppenabsatz als auch auf den Treppen, die in die oberen und unteren Stockwerke führten, drängte. Mit einem einzigen Blick erkannte er die vollzählige Familie Crucillà (Vater Stefano, Rentner, im Nachthemd, seine Frau im Frotteebademantel, Tochter Samanta, diese ohne h, in einem aufreizenden langen Pullover); Signor Mistretta in Unterhosen, Unterhemd und, aus unerfindlichen

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