Commissario Montalbano 05 - Das Spiel des Patriarchen
noch: >Jetzt stehst du auf, bekreuzigst dich, setzt dich wieder an deinen Platz, betest fünf Ave-Maria und drei Vaterunser, bekreuzigst dich noch mal und dann gehst du.<«
»Und, was hast du gemacht?«
»Was schon? Ich hab fünf Ave-Marias und drei Vaterunser gebetet.«
»Wieso bist du nicht früher gekommen, das hast du doch schnell hinter dich gebracht?«
»Ich hatte eine Autopanne, da hab ich Zeit verloren. Was machen wir jetzt?«
»Wie es der Pfarrer will. Du hörst dir morgen früh um viertel vor sechs an, was er dir zu sagen hat, und berichtest mir dann. Wenn er gesagt hat, dass man die Sache eventuell bei Einbruch der Dunkelheit machen kann, dann heißt das halb sieben, sieben. Wir werden je nachdem, was er sagt, vorgehen. Wir fahren zu viert und nur mit einem Wagen hin, dann gibt es kein Aufsehen. Ich, Mimi, du und Gallo. Wir telefonieren morgen, ich habe zu tun.«
Fazio ging, Montalbano wählte Ingrids Nummer. »Du sprekken ik ören«, sagte die australische Ureinwohnerstimme von vorher.
»Sprekken wer vorhin sprekken. Der Gemüsehändler.« Es klappte wunderbar. Ingrid war eine halbe Minute später am Apparat.
»Salvo, was gibt's?«
»Alles wieder anders, tut mir furchtbar leid. Wir können uns morgen Abend nicht treffen.«
»Wann dann?«
»Übermorgen.«
»Ich küsse dich.«
So war Ingrid, und deshalb schätzte und mochte Montalbano sie: Sie verlangte keine Erklärungen, übrigens würde auch sie nichts erklären. Sie nahm nur die Situation zur Kenntnis. Nie hatte er erlebt, dass eine Frau so weiblich wie Ingrid und zugleich überhaupt nicht weiblich war.
Zumindest nach dem Bild, das wir Männer uns von den Frauen machen, dachte Montalbano seinen Gedanken zu Ende.
Als er schnellen Schrittes an der Trattoria San Calogero vorbeikam, stoppte er plötzlich, wie Esel es tun, wenn sie aus unerfindlichen persönlichen Gründen beschließen, stehen zu bleiben und sich nicht mehr vom Fleck zu rühren, trotz Peitschenhieben und Tritten in den Bauch. Er sah auf die Uhr. Es war erst acht. Zu früh, um essen zu gehen. Doch die Arbeit, die ihn in der Via Cavour erwartete, würde lange dauern, sie würde sicher die ganze Nacht in Anspruch nehmen. Vielleicht konnte er dann gegen zehn Uhr unterbrechen - Aber wenn er vorher Hunger bekam?
»Was ist, Commissario, wollen Sie jetzt oder wollen Sie nicht?«
Das war Calogero, der Wirt der Trattoria, der ihn von der Tür aus musterte. Er freute sich. Das Lokal war vollkommen leer, um acht Uhr zu Abend zu essen ist etwas für Mailänder, die Sizilianer fangen nach neun Uhr an, ein Essen in Erwägung zu ziehen. »Was haben wir denn Feines?«
»Taliasse ccà, da, schauen Sie«, antwortete Calogero stolz und zeigte auf die Kühltheke.
Der Tod ereilt den Fisch im Auge, er trübt es. Doch diese Fische hatten lebendige, glitzernde Augen, als würden sie noch schwimmen. »Mach mir vier Seebarsche.«
»Keine n ersten Gang?«
»Nein. Was hast du als antipasto?«
»Purpiteddri, die auf der Zunge zergehen. Ihre Zähne brauchen Sie dafür nicht.«
Das stimmte. Die kleinen Tintenfische zergingen auf der Zunge, sie waren butterzart. Mit den Seebarschen ließ er sich, nachdem er ein paar Tropfen condimento del carrettiere, mit Knoblauch und Peperoncino gewürztes Olivenöl, darauf geträufelt hatte, viel Zeit.
Der Commissario pflegte auf zwei Arten Fisch zu essen. Bei der ersten, deren er sich widerwillig bediente und nur, wenn er wenig Zeit hatte, entgrätete er ihn, legte nur die essbaren Teile auf den Teller und verzehrte sie dann. Die zweite Art, die ihm viel mehr Befriedigung verschaffte, bestand darin, sich jeden Bissen zu verdienen, indem er ihn einzeln entgrätete. Er brauchte dafür mehr Zeit, das stimmt, aber eben dieses bisschen mehr Zeit war gewissermaßen der Wegbereiter: Während er den mit Öl beträufelten Bissen säuberte, aktivierte sein Hirn in weiser Voraussicht Geschmacks- und Geruchssinn, und so war es, als würde man den Fisch zweimal essen.
Als er sich vom Tisch erhob, war es halb zehn geworden. Er beschloss, am Hafen ein paar Schritte zu gehen. In Wahrheit hatte er keine Lust, das zu sehen, was er in der Via Cavour zu sehen erwartete. Einige große Lastwagen fuhren auf das Postschiff nach Lampedusa. Wenige Spaziergänger, keine Touristen, es war noch nicht Saison. Er wanderte eine Stunde lang herum, dann raffte er sich auf.
Als er die Wohnung von Nenè Sanfilippo betreten hatte, vergewisserte er sich gleich, dass die Fenster gut
Weitere Kostenlose Bücher