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Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde

Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde

Titel: Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Geld in das Unternehmen von Ragioniere Gar­gano investiert? Wenn ja, dann hatte sich das Geld längst Richtung Südsee verflüchtigt, und daraus folgte nicht nur, dass der Junge von seinem mütterlichen Erbe keine Lira bekam, sondern dass es ihm, Montalbano, nach dem pro­vozierenden Brief an den Questore sehr schwer fallen würde, das Verschwinden des Geldes zu erklären; am liebs­ten würde er sagen, dass er mit der Geschichte gar nichts zu tun hatte, der Questore würde ihm niemals glauben, er dächte zumindest, dass der Commissario mit dem Notar gemeinsame Sache gemacht und die fünfhundert Millio­nen des armen Waisenkindes mit ihm geteilt habe. Er schaffte es, sich aufzuraffen, die Autotür zu öffnen und mit quietschenden Reifen, wie es gewöhnlich die Polizei und die Idioten machen, durchzustarten in Richtung des Büros von Notar Carlentini. Er rannte die zwei Stockwerke hinauf und kam außer Atem oben an. Die Bürotür war ver­schlossen, ein Schildchen mit den Öffnungszeiten hing daran: Das Büro war seit einer Stunde zu, vielleicht war noch jemand da. Er klingelte und hämmerte sicherheits­halber auch mit der Faust an die Tür. Die Tür öffnete sich einen Spalt, und der Commissario stieß sie mit catarellanischer Wucht ganz auf. Die junge Frau, die geöffnet hatte, wich erschrocken zurück.
    »Was. was wollen Sie? Tun. tun Sie mir nichts.«
    Sie glaubte bestimmt, einen Räuber vor sich zu haben.
    Ganz blass war sie geworden.
    »Entschuldigen Sie, wenn ich Sie erschreckt habe«, sagte Montalbano. »Ich tue Ihnen bestimmt nichts. Mein Name ist Montalbano.«
    »Mein Gott, bin ich dumm!«, rief die junge Frau. »Jetzt er­innere ich mich, dass ich Sie im Fernsehen gesehen habe. Kommen Sie herein.«
    »Ist der Notar da?«, fragte der Commissario und trat ein. Die junge Frau machte ein ernstes Gesicht. »Wissen Sie denn nichts?«
    »Was?«, fragte Montalbano und wurde immer nervöser. »Der arme Notar.«
    »Ist er tot?«, heulte Montalbano, als hätte sie ihm das Ab­leben des Menschen mitgeteilt, der ihm auf der Welt der liebste war.
    Die junge Frau sah ihn leicht irritiert an.
    »Nein, er ist nicht tot. Er hatte einen Schlaganfall. Er ist auf dem Weg der Besserung.«
    »Kann er sprechen? Sich erinnern?«
    »Natürlich.«
    »Wie kann ich mit ihm reden?«
    »Jetzt?«
    »Jetzt.«
    Die junge Frau blickte auf ihre Armbanduhr.
    »Vielleicht schaffen wir es. Er liegt in der Santa-Maria-Klinik in Montelusa.«
    Sie ging in einen Raum voller Ordner, Mappen, Akten­deckel und Schnellhefter, wählte eine Nummer und ließ sich mit Zimmer 114 verbinden. Dann sagte sie: »Giulio…« Sie unterbrach sich. Es war allgemein bekannt, dass der Herr Notar nichts anbrennen ließ. Und die junge Frau am Telefon war etwa dreißig, groß, langes schwarzes Haar bis zum Kreuz, sehr schöne Beine.
    »Signor Notaio«, fuhr sie fort. »Commissario Montalbano ist hier im Büro und möchte mit Ihnen sprechen… Ja? Und wir telefonieren später.«
    Sie gab Montalbano den Hörer und verließ diskret das Zim­mer.
    »Pronto, Notaio? Hier ist Montalbano. Ich wollte Sie nur um eine Auskunft bitten. Erinnern Sie sich noch, dass ich Ihnen vor ein paar Jahren ein Sparbuch über fünfhundert Millionen überlassen habe, das. Ah ja, Sie erinnern sich? Ich frage, weil ich befürchtete, Sie hätten das Geld viel­leicht bei Ragioniere Gargano investiert, und da. Nein, nehmen Sie's mir bitte nicht übel… Nein, um Himmels willen, ich wollte wirklich nicht. Aber ich bitte Sie. Schon gut, schon gut, entschuldigen Sie. Gute Besserung.« Er legte auf. Der Notar war allein bei der Erwähnung von Garganos Namen beleidigt gewesen.
    »Und Sie denken, ich sei so blöd und würde einem Betrü­ger wie Gargano glauben?«, hatte er gefragt. Francois' Geld war in Sicherheit.
    Doch als er sich ins Auto setzte, um ins Kommissariat zu fahren, schwor Montalbano, dass er Ragioniere Gargano den furchtbaren Schrecken, den er seinetwegen bekom­men hatte, großzügig heimzahlen würde.

Vier
    Bis zum Kommissariat kam er jedoch nicht, denn unter­wegs gelangte er zu der Auffassung, dass er einen ziemlich harten Tag gehabt und daher einen Trost verdient hatte. Jemand hatte mal flüchtig eine Trattoria erwähnt, die ein paar Monate zuvor etwa zehn Kilometer hinter Montelusa an der Provinciale nach Giardina eröffnet worden war und in der man gut aß. Man hatte ihm auch den Namen ge­nannt, »Giugiu 'u carritteri«, beim Fuhrmann Giugiù. Vier­mal verpasste er die richtige

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