Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde
Er hat die Maschine nicht genommen.«
»Ist das sicher?«
»Wie das Amen in der Kirche, Dottore. Aber Sie scheinen sich gar nicht so zu wundern.«
»Weil ich mir fast schon gedacht habe, dass Pellegrino nicht abgereist ist.«
»Dann schauen wir mal, ob Sie sich über das, was jetzt kommt, wundern. Pellegrino ist persönlich erschienen und hat gesagt, dass er die Maschine nicht nimmt, zwei Stunden vorher.«
»Also um zwei Uhr nachmittags.«
»Richtig. Er wollte woandershin.«
»Jetzt wundere ich mich«, gab Montalbano zu. »Wo ist er hingeflogen?«
»Warten Sie, die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Er hat nach Madrid gebucht. Das Flugzeug ist am 1. September um zehn Uhr morgens gestartet, aber.« Fazio grinste siegesgewiss. Vielleicht hörte er dazu im Geiste den Triumphmarsch aus Aida. Er wollte gerade fortfahren und öffnete den Mund, doch der Commissario, gemein wie er war, kam ihm zuvor.
»- aber auch da ist er nicht eingestiegen«, schloss er den Satz.
Sichtbar verärgert zerknüllte Fazio den Zettel und stopfte ihn in die Jackentasche.
»Das macht wirklich keinen Spaß mit Ihnen.«
»Los, weiter, brauchst nicht sauer zu sein«, tröstete ihn der Commissario. »Wie viele Reisebüros gibt es in Montelusa?«
»Hier in Vigàta gibt's auch drei.«
»Die in Vigàta interessieren mich nicht.«
»Ich schau drüben im Telefonbuch nach und bringe Ihnen die Nummern.«
»Nicht nötig. Ruf du an und frag, ob es zwischen dem 28. August und dem 1. September irgendeine Buchung auf den Namen Giacomo Pellegrino gegeben hat.« Fazio sah ihn benommen an. Dann gab er sich einen Ruck. »Das geht nicht. Die haben schon geschlossen. Ich kümmere mich morgen darum, sobald ich da bin. Dottore, und wenn ich feststelle, dass dieser Pellegrino noch einen Flug gebucht hat, was weiß ich, nach Moskau oder London, was hat das dann zu bedeuten?«
»Das bedeutet, dass unser Freund seine Spuren verwischen wollte. Er hat ein Ticket nach Madrid in der Tasche, hat aber allen erzählt, er würde nach Deutschland fliegen. Morgen werden wir erfahren, ob er noch weitere Tickets in der Tasche hat. Hast du irgendwo die private Telefonnummer von Mariastella Cosentino?«
»Ich schau in Dottor Augellos Unterlagen nach.« Er ging hinaus, kam mit einem Zettel zurück, gab ihn Montalbano und ging wieder. Der Commissario wählte die Nummer. Es meldete sich niemand, vielleicht war Signorina Cosentino beim Einkaufen. Er steckte den Zettel ein und beschloss, nach Marinella zu fahren.
Er hatte keinen Appetit, die pasta al ragù und das Schweinefleisch bei Franca hatten ihm ganz schön zugesetzt. Er briet sich ein Spiegelei und aß anschließend ein paar Anchovis mit Öl, Essig und Oregano. Nach dem Essen wählte er noch mal die Nummer der Cosentino, die anscheinend die Hand immer Richtung Telefonapparat gestreckt hielt, denn sie nahm ab, bevor der erste Klingelton mit Klingeln fertig war. Die Stimme einer Sterbenden, eine Stimme von der Konsistenz einer Spinnwebe. »Pronto? Wer ist da?«
»Hier spricht Montalbano. Entschuldigen Sie die Störung, vielleicht haben Sie ferngesehen und…«
»Ich habe keinen Fernseher.«
Der Commissario konnte es sich nicht erklären, aber es kam ihm vor, als hätte tief in seinem Kopf ein fernes Glöckchen angeschlagen. So schnell und kurz, dass er nicht einmal sicher war, ob dieser Ton erklungen war oder nicht.
»Ich wüsste gern, falls Sie sich noch erinnern, ob Giacomo Pellegrino auch am 31. August nicht im Büro war.« Die Antwort kam sofort, ohne das geringste Zögern. »Commissario, ich kann diese Tage nicht vergessen, ich habe sie in Gedanken immer wieder an mir vorüberziehen lassen. Am Einunddreißigsten kam Pellegrino spät in die Agentur, etwa gegen elf. Er ist sehr bald wieder gegangen, er sagte, er müsse einen Kunden treffen. Am Nachmittag kam er wieder, es könnte halb fünf gewesen sein. Er blieb bis Geschäftsschluss.« Der Commissario dankte und legte auf. Das stimmte, es passte. Pellegrino geht morgens zu seinem Onkel, um mit ihm zu sprechen, und erscheint danach in der Agentur. Mittags verlässt er sie, nicht um einen Kunden zu treffen, sondern um ein Taxi oder einen Mietwagen zu nehmen. Er fährt nach Punta Raisi. Um zwei Uhr kommt er am Flughafen an, storniert das Ticket nach Berlin und löst eines nach Madrid. Er setzt sich wieder in das Taxi oder das Mietauto und ist nachmittags um halb fünf zurück in der Agentur. Die Zeiten stimmten überein. Doch wozu betreibt
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