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Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde

Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde

Titel: Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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bei allen Hotels, Pensionen, Zimmervermie­tern in Vigàta und Montelusa, ob Pellegrino vom 30. auf den 31. August irgendwo übernachtet hat.«
    »Mach ich sofort.«
    »Noch was: Frag bei den Autovermietern, ebenfalls in Vigàta und Montelusa, ob Pellegrino, etwa um die gleiche Zeit, irgendwo ein Auto gemietet hat.«
    »Aber wieso haben wir erst Gargano gesucht, und jetzt su­chen wir Pellegrino?«, fragte Fazio unsicher. »Weil ich inzwischen überzeugt bin, dass wir, sobald wir einen gefunden haben, wissen, wo wir den anderen su­chen müssen. Wetten wir?«
    »Nein. Mit Ihnen würde ich nie wetten«, sagte Fazio und ging.
    Dabei hätte er, wenn er die Wette angenommen hätte, ge­wonnen.
    Der übliche Bärenhunger nagte an ihm, vielleicht weil er schon lange nicht mehr so gut geschlafen hatte. Livia sein Herz auszuschütten hatte ihn irgendwie erleichtert und dafür gesorgt, dass er mit sich selbst wieder ins Lot kam.
    Montalbano war zu einem Späßchen aufgelegt. Er unter­brach Calogero, der begonnen hatte, die kurze Speisekarte herunterzuleiern:
    »Heute hätte ich Lust auf ein Wiener Schnitzel.«
    »Im Ernst?!«, rief Calogero fassungslos und stützte sich am Tisch ab, um nicht umzukippen.
    »Glaubst du tatsächlich, bei dir würde ich ein Schnitzel be­stellen? Ich verlange ja von einem buddhistischen Mönch auch keine heilige Messe. Was hast du heute?«
    » Spaghetti al nìvuro di siccia.«
    » Die nehme ich. Und dann?«
    »Frikadellen aus kleinen Tintenfischen.«
    »Davon ein Dutzend.«
    Um sechs Uhr abends erstattete Fazio Bericht. »Dottore, übernachtet hat er anscheinend nirgends. Aber er hat in Montelusa ein Auto gemietet. Am Einunddrei­ßigsten morgens, und um vier Uhr nachmittags hat er es wieder zurückgebracht. Die Sekretärin, ein kluges Mäd­chen, sagt, der Kilometerstand könnte einer Reise nach Palermo und zurück entsprechen.«
    »Passt«, kommentierte der Commissario. »Ach ja, das Mädchen hat noch gesagt, dass Pellegrino extra einen Wagen mit großem Kofferraum wollte.«
    »Klar. Er musste ja zwei Koffer mitnehmen.« Sie schwiegen eine Weile.
    »Aber wo hat der gute Mann nur geschlafen?«, überlegte Fazio laut.
    Die Wirkung, die seine Worte auf den Commissario aus­übten, erschreckte ihn sehr. Denn Montalbano hatte ihn mit aufgerissenen Augen angestarrt und sich dann mit der Hand heftig auf die Stirn geschlagen. »Idiot!«
    »Was hab ich denn gesagt?«, fragte Fazio und wollte sich schon entschuldigen.
    Montalbano stand auf, nahm etwas aus der Schublade und steckte es in die Jackentasche. »Komm, wir gehen.«

Zehn
    Montalbano raste mit dem Auto Richtung Montelusa, als ob jemand hinter ihm her wäre. Als er in die Straße einbog, die zu Pellegrinos Neubau führte, war Fazios Gesicht wie versteinert, er starrte geradeaus und sagte keinen Ton. Vor dem verschlossenen Gartentor hielt der Commissario an, und sie stiegen aus. Die kaputten Fensterscheiben waren nicht ersetzt worden, aber jemand hatte an ihrer Stelle mit Reißnägeln Plastikfolie befestigt. Viermal »Arschloch« in Grün stand immer noch da.
    »Es könnte jemand drin sein, der Onkel vielleicht«, sagte Fazio.
    »Wir wollen lieber auf Nummer sicher gehen«, sagte der Commissario. »Ruf gleich im Büro an, lass dir die Num­mer von dem Giacomo Pellegrino geben, der die Anzeige erstattet hat. Dann rufst du ihn an, sagst, du bist zu einem Lokaltermin hier, und fragst, ob er die Plastikfolie ange­bracht hat und ob er was von seinem Neffen gehört hat. Geht er nicht ans Telefon, entscheiden wir, was dann zu tun ist.«
    Während Fazio mit seinen Telefonaten begann, ging Montalbano zu dem gefällten Olivenbaum. Der Baum hatte die meisten Blätter verloren, und sie lagen jetzt, gelb verfärbt, auf der Erde. Sichtlich fehlte nicht mehr viel, bis er von einem lebendigen Baum in totes Holz verwandelt wäre. Da tat der Commissario etwas Merkwürdiges, besser ge­sagt, er benahm sich wie ein Kind: Er setzte sich vor die Mitte des gefällten Stammes und legte sein Ohr daran, wie man es bei einem Sterbenden macht, um zu hören, ob das Herz noch schlägt. So blieb er eine Weile sitzen; hoffte er vielleicht, er könnte noch das Rauschen des Pflanzen­saftes vernehmen? Plötzlich musste er lachen. Was tat er da eigentlich? Das war ja wie beim Baron Münchhausen, der nur sein Ohr auf den Boden zu legen brauchte, um das Gras wachsen zu hören. Er hatte nicht gemerkt, dass Fazio, der jetzt zu ihm kam, ihn beobachtet hatte. »Dottore, ic h habe mit

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