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Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde

Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde

Titel: Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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dem Onkel gesprochen. Er hat die Fenster abgedeckt, weil ihm der Neffe zwar den Schlüssel für das Gartentor, aber keinen Hausschlüssel dagelassen hat. Er hat aus Deutschland nichts von ihm gehört, aber er meint, dass er bald zurück sein müsste.« Dann sah er den Olivenbaum an und schüttelte den Kopf. »Schau dir dieses Massaker an«, sagte Montalbano. »Arschloch«, sagte Fazio und benutzte absichtlich das glei­che Wort, das der Commissario auf die Hauswände ge­schrieben hatte.
    »Verstehst du jetzt, warum ich ausgerastet bin?«
    »Sie brauchen mir nichts weiter zu erklären«, sagte Fazio.
    »Und was machen wir jetzt?«
    »Jetzt gehen wir rein«, antwortete Montalbano und holte das Säckchen hervor, das er aus seiner Schreibtisch­schublade genommen hatte, ein reichhaltiges Sortiment von Dietrichen und Nachschlüsseln, das Geschenk eines befreundeten Einbrechers. »Du passt auf, ob jemand kommt.«
    Er hantierte am Schloss des Gartentors, das ziemlich leicht aufging. Die Haustür bereitete ihm mehr Schwierigkeiten, aber schließlich schaffte er es. Er rief Fazio. Sie gingen hinein. Ein großes, vollkommen leeres Wohn­zimmer lag vor ihnen. Auch in der Küche und in der Toilette befand sich kein einziger Gegenstand. Vom Wohnzimmer aus führte eine Treppe aus Stein und Holz ins obere Stockwerk. Hier waren zwei große Schlafzim­mer ohne Möbel. Aber im zweiten Zimmer lag ausge­breitet auf dem Boden eine dicke Decke, nagelneu, zum ersten Mal benutzt, das Preisschildchen hing noch dran. Das Bad, das möbliert war, befand sich zwischen den bei­den Zimmern. Auf der Ablage unter dem Spiegel waren eine Dose Rasierschaum und fünf Einmalrasierer. Zwei waren gebraucht.
    »Giacomo hat das Nächstliegende getan. Als er aus der Mietwohnung ausgezogen war, kam er hierher. Er hat auf der Decke geschlafen. Aber wo sind die beiden Koffer, die er dabei hatte?«, fragte Montalbano.
    Sie suchten im Dachboden und in einem Kämmerchen unter der Treppe. Ohne Erfolg. Sie schlossen die Tür und gingen vorsichtshalber auch um das Haus herum. An der Rückseite gab es eine kleine Eisentür, die im oberen Teil vergittert war, damit die Luft zirkulieren konnte. Mont­albano öffnete sie. Es war eine Art Gerätekammer. In der Mitte standen zwei große Koffer.
    Es war zu eng in dem Raum, sie trugen die Koffer hinaus. Sie waren nicht abgeschlossen. Montalbano nahm einen, Fazio den anderen. Die beiden wussten nicht, was sie suchten, aber sie suchten trotzdem. Socken, Unterhosen, Hemden, Taschentücher, ein Anzug, ein Regenmantel. Sie sahen sich an. Sie stopften alles, was sie herausgezogen hatten, wieder in die Koffer, ohne ein Wort miteinander zu wechseln. Fazio bekam seinen Koffer nicht zu. »Lass ihn so«, befahl der Commissario. Sie stellten die Koffer wieder hinein, schlossen Tür und Gartentor ab und fuhren los.
    »Dottore, irgendwas stimmt da nicht«, sagte Fazio, als sie kurz vor Vigàta waren. »Wenn dieser Giacomo Pellegrino zu einem langen Aufenthalt nach Deutschland gereist ist, wieso hat er dann nicht mal eine Unterhose zum Wech­seln dabei? Es ist doch unsinnig, sich alles neu zu kau­fen.«
    »Noch etwas stimmt nicht«, sagte Montalbano. »Findest du es normal, dass wir in den Koffern kein Blatt Papier, keinen Zettel, keinen Brief, kein Heft oder Notizbuch ge­funden haben?«
    In Vigàta bog der Commissario in eine schmale Straße ein, die nicht zum Kommissariat führte. »Wohin fahren wir?«
    »Ich will Giacomos ehemalige Vermieterin besuchen. Und du nimmst mein Auto und fährst es zum Büro. Wenn ich fertig bin, komme ich zu Fuß, es ist nicht so weit.«
    »Wer ist denn das schon wieder?«, fragte hinter der Tür Signora Catarinas asthmatische Walfischstimme. »Montalbano.«
    Die Tür ging auf. Ein monströser Kopf erschien, gespickt mit Plastiklockenwicklern.
    »Ich kann Sie nicht reinbitten, weil ich nicht angezogen bin.«
    »Bitte verzeihen Sie die Störung, Signora Catarina. Eine Frage nur: Wie viele Koffer hatte Giacomo Pellegrino?«
    »Hab ich das nicht schon gesagt? Zwei.«
    »Und sonst nichts?«
    »Er hatte noch ein Köfferchen, so ein kleines. Da waren Unterlagen drin.«
    »Wissen Sie, was für Unterlagen?«
    »Sagen Sie mal, halten Sie mich für jemand, der in anderer Leute Sachen wühlt? Glauben Sie, ich hätte keine Manie­ren? Ich wäre ein Klatschweib?«
    »Signora Catarina, wie können Sie nur denken, dass ich so etwas von Ihnen denken könnte? Ich meine, es kann doch mal vorkommen, dass so ein Aktenkoffer

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