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Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde

Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde

Titel: Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Städte.«
    »Willst du einen auf witzig machen?«
    »Nein. Und von welchem Flughafen? Punta Raisi oder Fontanarossa?«
    »Punta Raisi, glaube ich. Und jetzt raus, du nervst.«
    »Wie Sie wünschen, Dottore. Ich wollte nur sagen, dass Preside Burgio angerufen hat, um Sie zu erinnern, Sie wüssten schon, an was.«
    Preside Burgio hatte ihn vor etwa zehn Tagen angerufen und zu einer Diskussion zwischen Befürwortern und Geg­nern einer Brücke über die Straße von Messina eingeladen. Der Preside war der Referent der Befürworter. Am Ende sollte, weiß der Himmel, warum, Das Leben ist schön von Benigni gezeigt werden. Montalbano hatte versprochen zu kommen, weil er seinem Freund einen Gefallen tun und auch den Film sehen wollte, über den er gegensätzliche Meinungen gehört hatte.
    Er beschloss, nach Marinella zu fahren und sich umzuzie­hen, Jeans fand er unpassend. Er setzte sich ins Auto und fuhr nach Hause, und dort hatte er die unglückliche Idee, sich kurz aufs Bett zu legen, nur fünf Minuten, nicht länger. Er schlief drei Stunden am Stück. Dann wachte er plötz­lich auf und stellte fest, dass er, wenn er sich beeilte, ge­rade noch rechtzeitig zur Filmvorführung kommen würde. Der Saal war brechend voll, und kurz nach seinem Eintref­fen wurde das Licht gelöscht. Er blieb stehen. Manchmal lachte er. Aber das änderte sich gegen Ende, als er spürte, wie ihm die Brust eng wurde, weil er so ergriffen war… Noch nie hatte er bei einem Film weinen müssen. Er ver­ließ den Saal, bevor das Licht wieder anging, er hätte sich geniert, wenn ihn jemand mit tränennassen Augen gese­hen hätte. Warum war das diesmal passiert? War es das Alter? Machte sich sein Alter bemerkbar? Man ist manch­mal leichter gerührt, wenn man älter wird. Aber das war es nicht allein. War es die Geschichte, die der Film er­zählte, und wie er sie erzählte? Gewiss, aber das war es nicht allein. Er wartete, bis die Leute draußen waren, vor der Tür, um Preside Burgio kurz zu begrüßen. Er wollte am liebsten für sich sein, gleich nach Hause fahren. Auf der Veranda war es windig und kalt. Das Meer hatte fast den ganzen Strand verschlungen. In der kleinen Diele hing ein warmer Mantel, ein gefütterter Regenmantel. Er zog ihn an, ging wieder auf die Veranda und setzte sich. Bei den Windböen gelang es ihm nicht, sich eine Zigarette an­zustecken. Dazu hätte er ins Zimmer gehen müssen. An­statt aufzustehen, beschloss er, nicht zu rauchen. Draußen auf dem Meer sah man ferne Lichter, die ab und zu ver­schwanden. Wenn es Fischer waren, sah es bei dem Seegang nicht gut für sie aus. So saß er regungslos da, die Hände in den Manteltaschen vergraben, und dachte noch einmal darüber nach, was mit ihm geschehen war, als er den Film sah. Und auf einmal hatte er den wahren, einzigen, unleug­baren Grund für seine Tränen klar vor Augen. Er schob ihn sofort von sich, er erschien ihm unglaubhaft. Doch allmählich leistete dieser Grund, obwohl Montalbano ihn umkreiste und von allen Seiten attackierte, immer größe­ren Widerstand. Am Ende musste der Commissario sich geschlagen geben. Und da fasste er einen Entschluss.
    Vor der Fahrt musste er in der Bar Albanese auf die fri­schen cannoli mit Ricottafüllung warten. Er kaufte dreißig Stück, dazu kiloweise biscotti regina, mustazzoli und Mar­zipanfrüchte. Auf der Fahrt entströmte seinem Auto eine Duftwolke. Er musste die Fenster offen lassen, sonst hätte er bei dem intensiven Geruch Kopfschmerzen bekommen. Für die Fahrt nach Calapiano wählte er die längste und mühsamste Strecke; er hatte sie die wenigen Male, die er hingefahren war, immer genommen, denn hier bot sich ihm noch jenes Sizilien, das allmählich verschwand, jenes karge Land mit seinen wortkargen Menschen. Nach zwei Stunden Reise fand er sich kurz hinter Gagliano am Ende einer Autoschlange wieder, die sich im Schneckentempo auf dem heruntergekommenen Asphalt vorwärts bewegte. Ein Schild, das an einem Strommast hing, trug die hand­geschriebene Aufforderung: »Schritt fahren!«
    Ein Kerl mit einem Gesicht wie ein Lebenslänglicher (woher wissen wir eigentlich, ob Lebenslängliche so ein Gesicht haben?), in Zivil und mit einer Trillerpfeife im Mund, pfiff wie ein Schiedsrichter, hob einen Arm, und das Auto vor Montalbano blieb unvermittelt stehen. Eine Zeit lang geschah gar nichts, dann beschloss der Commis­sario, sich die Beine ein wenig zu vertreten. Er stieg aus und ging zu dem Mann. »Sind Sie Polizist?«
    »Ich?

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