Commissario Montalbano 07 - Das kalte Lächeln des Meeres
Fotos da?«
»Leg sie auf meinen Tisch. Die bekommt Fazio.«
Nach zwei Stunden vergeblichen Wartens beschlich ihn ein unwiderstehliches Schlafbedürfnis. Er schob die Unterlagen weg, kreuzte die Arme auf dem Schreibtisch, legte den Kopf darauf und war im Handumdrehen eingeschlafen. So tief, dass er, als das Telefon klingelte und er die Augen aufschlug, für ein paar Sekunden nicht wusste, wo er war.
»Dottori, da ist einer, der will mit Ihnen persönlich selber reden.«
»Wer denn?«
»Das ist es eben, Dottori. Er sagt, dass er seinen Namen nicht sagen will.«
»Stell ihn durch.«
»Montalbano. Wer ist dran?«
»Commissario, Sie waren heute Nachmittag mit einer Signora bei meiner Frau im Geschäft.«
»Ich?«
»Jawohl, Sie.«
»Würden Sie mir bitte sagen, wer Sie sind?«
»Nein.«
»Na dann, auf Wiedersehen.«
Er legte auf. Das war riskant, womöglich hatte Marzilla jetzt allen Mut verloren und traute sich nicht, noch mal anzurufen. Aber anscheinend hatte er sich an Montalbanos Angelhaken so festgebissen, dass er gleich wieder anrief.
»Commissario, entschuldigen Sie wegen vorhin. Sie müssen mich verstehen. Meine Frau hat Sie sofort erkannt.
Aber Sie waren verkleidet und nannten sich Emilio. Außerdem hat meine Frau die Visitenkarte gefunden, die Ihnen runtergefallen ist. Sie müssen mir schon zugestehen, dass mich das beunruhigt.«
»Warum?«
»Weil klar ist, dass Sie in irgendeiner Sache ermitteln, die mit mir zu tun hat.«
»Da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Die Voruntersuchungen sind abgeschlossen.«
»Sie meinen, ich brauchte mir keine Sorgen zu machen?«
»Nein. Zumindest heute Nacht nicht.«
Montalbano hörte, dass Marzilla der Atem stockte.
»Was … was heißt das?«
»Dass ich morgen Phase zwei einleite. Den operativen Teil.«
»Und . was -«
»Sie wissen doch, wie das läuft, oder? Verhaftungen, Festnahmen, Vernehmungen, Staatsanwalt, Journalisten -«
»Aber ich hab doch mit der ganzen Geschichte nichts zu tun!«
»Mit welcher Geschichte?«
»A . a . aber . ich weiß nicht . die Geschichte, die . Aber was wollten Sie denn dann im Laden?«
»Ach, das meinen Sie? Ich wollte ein Hochzeitsgeschenk kaufen.«
»Aber warum haben Sie sich mit Emilio anreden lassen?«
»Die Signora, die mich begleitet hat, nennt mich nun mal so. Hören Sie, Marzilla, es ist spät. Ich fahre jetzt nach Hause, nach Marinella. Wir sehen uns morgen.«
Er legte auf. Ganz schön link. Montalbano hätte seine Eier darauf verwettet, dass Marzilla in spätestens einer Stunde an seine Tür klopfte. Die Adresse konnte er leicht im Telefonbuch nachschlagen. Wie vermutet, steckte der Sanitäter bis zu den Ohren in der Geschichte drin, die bei der Landung passiert war.
Jemand musste ihn angewiesen haben, dafür zu sorgen, dass die Frau mit den drei Kindern in den Ambulanzwagen geladen und dann vor der Notaufnahme abgesetzt wurde. Und er hatte gehorcht.
Montalbano stieg ins Auto und machte sich mit heruntergekurbelten Seitenfenstern auf den Weg. Er hatte das Bedürfnis, die gute, gesunde Nachtluft des Meeres im Gesicht zu spüren.
Wie vermutet, hielt eine Stunde später ein Auto vor dem Haus, eine Tür schlug, es klingelte. Montalbano öffnete.
Da stand ein anderer Marzilla als der, den er auf dem Parkplatz der Klinik gesehen hatte. Er war unrasiert und wirkte kränklich.
»Entschuldigen Sie, wenn ich -«
»Ich habe Sie erwartet. Kommen Sie herein.«
Montalbano hatte beschlossen, die Taktik zu ändern, und Marzilla schien sich über den freundlichen Empfang zu wundern. Verunsichert trat er ein und sank auf dem Stuhl, den ihm der Commissario anbot, regelrecht in sich zusammen.
»Ich rede«, sagte Montalbano. »Das kostet weniger Zeit.«
Der Mann nickte ergeben.
»Neulich abends am Hafen, da wussten Sie doch schon vorher, dass eine Afrikanerin mit drei Kindern am Kai einen Sturz und ein verletztes Bein vortäuschen würde. Sie sollten mit dem Krankenwagen bereitstehen und zusehen, dass Sie nicht woandershin gerufen wurden, dann zu der Frau laufen, ein gebrochenes Bein diagnostizieren, bevor der Arzt kommt, die Frau und die drei Kinder einladen und nach Montelusa fahren. Stimmt's? Antworten Sie nur mit Ja oder Nein.«
Marzilla musste schlucken und sich mit der Zunge über die Lippen fahren, bevor er eine Antwort herausbrachte.
»Ja.«
»Gut. Am San Gregorio sollten Sie die Frau und die Kinder am Eingang zur Notaufnahme absetzen und sie nicht reinbegleiten. Das haben Sie
Weitere Kostenlose Bücher