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Commissario Montalbano 07 - Das kalte Lächeln des Meeres

Commissario Montalbano 07 - Das kalte Lächeln des Meeres

Titel: Commissario Montalbano 07 - Das kalte Lächeln des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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war er auf der Hut, dann rollte er sich ein wie ein Igel und verwandelte sich in eine stachlige Kugel.
    »Ja, ich war zufällig da. Wegen einer Brille.«
    »Wegen einer Brille?«, fragte der andere verwundert.
    Gleich darauf grinste er schlau.
    »Ich verstehe. Sie wollen mich auf die falsche Fährte bringen!«
    Montalbano stand auf.
    »Ich habe Ihnen die Wahrheit gesagt, und Sie haben mir nicht geglaubt. Wenn wir so weitermachen, vertun wir nur beide unsere Zeit. Auf Wiedersehen.«
    Der Schwertlilienstrauß stand auf und wirkte mit einem Mal verwelkt. Sein Händchen nahm die Hand, die ihm der Commissario hinstreckte.
    »Auf Wiedersehen«, hauchte er und schlich zur Tür.
    Plötzlich tat er Montalbano Leid.
    »Wenn Sie das Problem der Immigranten interessiert, können Sie mit einem Kollegen reden, der …«
    »Dottor Riguccio? Danke, ich habe bereits mit ihm gesprochen. Aber er sieht nur das große Problem mit den hier ankommenden Illegalen und weiter nichts.«
    »Wieso? Kann man denn in so einem großen Problem noch ein kleineres sehen?«
    »Man könnte.«
    »Und das wäre?«
    »Der Handel mit Ausländerkindern«, sagte Sozio Melato, öffnete die Tür und ging hinaus.
    Ganz wie in einem Zeichentrickfilm erstarrten zwei Wörter, die der Journalist gerade gesagt hatte - Handel und Kinder -, und saßen schwarz gedruckt in der Luft, denn das Zimmer war nicht mehr da, jeder Gegenstand war von einem milchigen Licht verschluckt, nach einer Millionstel Sekunde kamen die beiden Wörter in Bewegung, verflochten sich ineinander, waren jetzt zwei miteinander ringende Schlangen, verschmolzen, verfärbten sich, wurden zu einer strahlenden Lichtkugel, und aus ihr löste sich eine Art Blitz und fuhr Montalbano zwischen die Augen.
    »Madonna!«, flehte er und klammerte sich am Schreibtisch fest.
    In weniger als einer Sekunde flogen alle losen Puzzleteilchen, die in seinem Kopf herumgeisterten, an den richtigen Platz und fügten sich perfekt ineinander. Dann kehrte alles in den Normalzustand zurück, jeder Gegenstand nahm wieder seine Form und seine Farbe an, doch wer nicht wieder normal wurde, war er selbst, Montalbano, denn er konnte sich nicht rühren und sein Mund weigerte sich hartnäckig aufzugehen und den Mann zurückzurufen.
    Schließlich schaffte es der Commissario, nach dem Telefonhörer zu greifen.
    »Halt den Journalisten fest!«, befahl er Catarella mit heiserer Stimme.
    Während er auf den Stuhl sank und sich den Schweiß von der Stirn wischte, brach draußen ein Spektakel los. Jemand (anscheinend Catarella) schrie:
    »Stehen bleiben, Ponzio Pilato!«
    Jemand anderes (anscheinend der Journalist) rief:
    »Was habe ich denn getan? Lassen Sie mich los!«
    Ein Dritter (eindeutig ein blöder Passant) ergriff die Gelegenheit beim Schopf:
    »Nieder mit der Polizei!«
    Schließlich flog krachend die Tür auf, und der Journalist, der sich widerstrebend von Catarella vorwärts schieben ließ, zuckte auf der Schwelle zusammen.
    »Ich hab ihn, Dottori!«
    »Was soll das? Ich verstehe nicht, warum -«
    »Entschuldigen Sie, Signor Melato. Ein unerfreuliches Missverständnis, bitte kommen Sie herein.«
    Und während Melato, immer noch reichlich verwirrt, näher trat, herrschte der Commissario Catarella an:
    »Geh raus, und mach die Tür zu!«
    Der Schwertlilienstrauß saß, zusehends welk geworden, entkräftet auf dem Stuhl, und Montalbano hätte ihn am liebsten mit ein bisschen Wasser besprüht, um ihn wieder zu beleben. Aber vielleicht ließ er ihn am besten sofort über sein Thema reden, als ob nichts geschehen wäre.
    »Sie sprachen von einem gewissen Handel -«
    Heri dicebamus. Es funktionierte perfekt. Melato fiel im Traum nicht ein, eine Erklärung für die absonderliche Behandlung zu verlangen, die ihm widerfahren war. Er blühte wieder auf.
    »Wissen Sie denn gar nichts, Commissario?«
    »Nein, wirklich nicht. Und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie -«
    »Allein letztes Jahr, und ich spreche von offiziellen Zahlen, wurden in Italien knapp fünfzehntausend Minderjährige aufgefunden, die nicht in Begleitung eines Verwandten waren.«
    »Wollen Sie damit sagen, dass sie allein hergekommen sind?«
    »Sollte man meinen. Von diesen Minderjährigen können wir mindestens die Hälfte beiseite lassen.«
    »Warum?«
    »Weil sie inzwischen volljährig sind. Gut, fast viertausend - ein hübscher Anteil, nicht wahr - kamen aus Albanien, die anderen aus Rumänien, Jugoslawien, Moldawien.
    Auch die eintausendfünfhundert Minderjährigen aus

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