Commissario Montalbano 07 - Das kalte Lächeln des Meeres
Italien geschleust haben. Alle im Nichts verschwunden. Was haben Sie, Commissario, ist Ihnen nicht gut?«
Ein Flashback. Mit verkrampftem Magen sah Montalbano ganz kurz sich selbst, als er den kleinen Jungen an seiner Hand der Frau übergab, die er für die Mutter hielt . Diesen Blick, diese großen Augen würde er sein Lebtag nicht vergessen.
»Warum?«, fragte er gespielt gleichgültig.
»Sie sind blass geworden.«
»Das kommt ab und zu vor, es ist der Kreislauf, keine Sorge.
Aber sagen Sie eines: Was tun Sie hier bei uns, wenn dieser schmutzige Handel in der Adria stattfindet?«
»Ganz einfach. Die Sklavenhändler waren aus irgendeinem Grund gezwungen, den Kurs zu ändern. Die jahrelang befahrene Route ist mittlerweile zu bekannt, die Schraube wurde fester angezogen, die Boote können jetzt viel leichter aufgebracht werden. Vergessen Sie nicht, dass bereits letztes Jahr wie gesagt tausenddreihundertachtundfünfzig Minderjährige aus Marokko hier ankamen. Es ging also darum, die bereits existierenden Routen im südlichen Mittelmeer zu erweitern. Und das geschieht, seit der Tunesier Baddar Gafsa der unangefochtene Chef der Organisation ist.«
»Entschuldigung, ich habe nicht verstanden. Wie sagten Sie?«
»Baddar Gafsa, ein Typ wie aus einem Roman, glauben Sie mir. Man nennt ihn den Narbigen, stellen Sie sich vor. Etwas vornehmer könnte man ihn als echtes Herz der Finsternis bezeichnen. Ein Hüne, der sich mit Vorliebe mit Ringen, Ketten und Armbändern behängt und immer Lederjacken trägt. Mit etwas über dreißig befiehlt er ein regelrechtes Mörderheer, das von seinen drei Statthaltern Samir, Jamil und Ouled angeführt wird, und eine Fischereiflotte, mit der er natürlich nicht fischt und die in den Buchten vor Cap Bon versteckt liegt. Das Kommando haben Ghamun und Ridha, zwei erfahrene Kapitäne, die die Straße von Sizilien wie ihre Westentasche kennen. Nach Baddar Gafsa wird schon lange gefahndet. In seinen Geheimverstecken sollen die Leichen von Feinden, die er ermordet hat, zu Dutzenden ausgestellt sein. Gafsa stellt sie eine Zeit lang zur Schau, um mögliche Verräter abzuschrecken und zugleich seine Unbesiegbarkeit zu zelebrieren. Jagdtrophäen, verstehen Sie? Er reist auch viel, um Streitfragen zwischen seinen Mitarbeitern auf seine Art zu lösen oder Leute, die seine Befehle nicht ausführen, exemplarisch zu bestrafen.
Auf diese Weise sammeln sich die Trophäen an.«
Montalbano kam es vor, als ob Melato ihm einen allzu phantastischen Abenteuerfilm erzählte, von der Sorte, die man früher als typisch amerikanisch bezeichnete.
»Aber woher wissen Sie das alles? Sie scheinen ja gut informiert zu sein.«
»Bevor ich nach Vigàta kam, bin ich fast einen Monat durch Tunesien gereist, von Sfax bis Sousse und hinauf bis El Haouaria. Ich hatte mir die richtigen Kontakte verschafft. Und ich habe genug Erfahrung, um Großstadtlegenden von der Wahrheit zu unterscheiden.«
»Aber Sie haben mir immer noch nicht erklärt, wie Sie ausgerechnet auf Vigàta gekommen sind. Sind Sie in Tunesien auf etwas gestoßen, was Sie zu uns geführt hat?«
Sozio Melatos großer Mund vervierfachte sich in einem Grinsen.
»Sie sind wirklich so intelligent, wie man Sie mir beschrieben hat, Commissario. Ich fand heraus - wie, erkläre ich jetzt nicht, weil es zu kompliziert wäre, aber ich versichere Ihnen, dass die Quelle absolut zuverlässig ist -, dass Baddar Gafsa auf dem Rückweg von Vigàta auf Lampedusa gesehen wurde.«
»Wann?«
»Vor etwas über zwei Monaten.«
»Hat man Ihnen auch gesagt, was er hier wollte?«
»Man hat es mir angedeutet. Vor allem sollten Sie wissen, dass Gafsa hier einen großen Verteilerstützpunkt betreibt.«
»In Vigàta?«
»Oder Umgebung.«
»Was bedeutet Verteilerstützpunkt?«
»Eine Sammelstelle für bestimmte Illegale, die viel wert sind, oder wichtige …«
»Was?«
»Minderjährige eben, oder Terroristen oder einzuschleusende Informanten oder für unerwünscht erklärte Personen. Er behält sie dort, bevor er sie an ihren endgültigen Bestimmungsort schickt.«
»Ich verstehe.«
»Bevor Gafsa Chef der Organisation wurde, hat diesen Verteilerstützpunkt ein Italiener kontrolliert. Der Tunesier hat ihm die Leitung des Stützpunkts eine Zeit lang überlassen, bis der Italiener die Fäden selbst in die Hand genommen hat. Daraufhin ist Gafsa gekommen und hat ihn umgebracht.«
»Wissen Sie, durch wen er ihn ersetzt hat?«
»Wie es aussieht, durch niemanden.«
»Dann ist der
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