Commissario Montalbano 09 - Die dunkle Wahrheit des Mondes
einziges klares Wort: »Scheiße!«
Und am anderen Ende wurde aufgelegt. Was hatte das zu bedeuten? Bastard und Arschloch. Wer weiß, wie sie Angelo beim dritten anonymen Anruf betitelt hätten. In diesem Augenblick ertönte die Sprechanlage an der Wohnungstür. Montalbano ging öffnen. Es waren Fazio und Catarella.
»Dottori ah Dottori! Fazio hat mir gesagt, dass Sie ganz genau mich persönlich selber brauchen würden!« Er war ganz durcheinander und schweißgebadet wegen der hohen Ehre, die Commissario Montalbano ihm widerfahren ließ, indem er ihn herbeirief und an den Ermittlungen beteiligte. »Kommt mit mir.« Er führte sie ins Arbeitszimmer.
»Du, Catare, nimm dieses Laptop, das auf dem Schreibtisch steht. Sieh nach, was da alles drinsteht. Aber tu das nicht hier, sondern geh ins Wohnzimmer.«
»Dottori, kann ich auch den Drucker mitnehmen?«
»Nimm dir, was du brauchst.«
Als Catarella gegangen war, erzählte Montalbano Fazio jede Einzelheit, von der Superscheiße, die er verursacht hatte, indem er Michela allein in Angelos Wohnung gelassen hatte, bis zu dem, was ihm Elena Sclafani erzählt hatte. Und er erzählte ihm auch von den Anrufen. Fazio wurde nachdenklich.
»Erzählen Sie mir doch noch mal von dem zweiten anonymen Anruf«, sagte er nach einer Weile. Montalbano erzählte es ihm.
»Ich entwickle mal eine Hypothese«, sagte Fazio. »Nehmen wir an, dass dieser zweite Anrufer Giacomo heißt. Dann weiß dieser Giacomo nicht, dass Angelo erschossen wurde. Er ruft ihn an und bekommt Antwort. Giacomo ist verärgert, weil er Angelo seit ein paar Tagen nicht erreichen kann. Als er mit ihm spricht, sagt er Angelo, er soll einen Augenblick am Apparat bleiben, weil er einen Anruf auf der anderen Leitung hat. Stimmt's?«
»Stimmt.«
»Er spricht auf der anderen Leitung, und dort sagt man ihm etwas, was Giacomo nicht nur aus der Fassung bringt, sondern ihn dazu bringt, das Gespräch zu unterbrechen. Die Frage ist: Was hat man ihm gesagt?«
»Dass Angelo umgebracht worden ist«, sagte Montalbano. »So sehe ich das auch.«
»Sag mal, Fazio, ist die Nachricht von dem Mord schon bis zur Presse vorgedrungen?«
»Na ja, langsam sickert etwas durch. Doch um wieder zu unserem Gespräch zurückzukehren, als Giacomo klar wird, dass er mit einem falschen Angelo spricht, legt er sofort auf.«
»Frage: Warum hat er aufgelegt?«, sagte Montalbano. »Lass uns eine erste Überlegung anstellen. Nehmen wir an, Giacomo ist einer, der nichts zu verbergen hat, ein unschuldiger Freund, mit dem Angelo gegessen hat und auf Frauen aus war. Während er glaubt, er würde mit Angelo sprechen, wird ihm mitgeteilt, dass Angelo umgebracht worden ist. Ein echter Freund hätte nicht aufgelegt, sondern hätte den falschen Angelo gefragt, wer er wirklich ist und weshalb er sich als Angelo ausgibt. Man muss also eine zweite Überlegung anstellen. Und das heißt, dass Giacomo, kaum dass er von Angelos Tod erfahren hatte, Scheiße sagt und auflegt, weil er Angst hat, sich zu verraten, sich zu erkennen zu geben, wenn er weiterreden würde. Mithin handelt es sich nicht um eine unschuldige Freundschaft, sondern um etwas Unsauberes, etwas Dunkles. Und der erste Anruf überzeugt mich genauso wenig.«
»Was können wir also tun?«
»Wir können versuchen herauszufinden, woher diese Anrufe kamen. Lass dir die Genehmigungen geben, und dann geh zur Telefongesellschaft. Es ist nicht gesagt, dass etwas dabei herauskommt, aber wir müssen es immerhin versuchen.«
»Ich mach mich gleich ans Werk.«
»Warte, wir sind noch nicht fertig. Wir müssen alles über Angelo Pardo herausfinden. Nach dem, was die Sclafani mir gegenüber angedeutet hat, hat man ihn aus der Ärztekammer oder wie sich das nennt ausgeschlossen. Das ist eine Maßnahme, die nicht für Kleinigkeiten angewandt wird.«
»In Ordnung, ich versuch's.«
»Warte noch. Darf ich mal wissen, warum du es so eilig hast? Ich will auch alles über Professor Emilio Sclafani erfahren, Leben, Tod und Wundertaten. Er unterrichtet Griechisch am Gymnasium von Montelusa. Die Anschrift findest du im Telefonbuch.«
»In Ordnung«, sagte Fazio, ohne jede Andeutung, dass er sich fortbewegen wollte. »Und dann noch eins. Angelos Geldbörse?«
»Die hatte er in der Hintertasche seiner Jeans. Die Spurensicherung hat sie mitgenommen.«
»Hat die Spurensicherung auch noch etwas anderes mitgenommen?«
»Jaja. Einen Schlüsselbund und ein Handy, das auf dem Tisch lag.«
»Ich will noch heute die Schlüssel,
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