Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Commissario Montalbano 09 - Die dunkle Wahrheit des Mondes

Commissario Montalbano 09 - Die dunkle Wahrheit des Mondes

Titel: Commissario Montalbano 09 - Die dunkle Wahrheit des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
Vom Netzwerk:
begreifen, dass Angelo sich auch das Versmaß notiert hatte.
    »Du kannst zumachen. Apropos, hast du nicht gesagt, ihr hättet im Zimmer oben einen Schlüsselbund gefunden?«
    »Jaja, Dottore. Den hat die Spurensicherung genommen.«
    »Ich sag's dir noch einmal: Heute Nachmittag will ich die Geldbörse, das Handy und die Schlüssel. Was machst du da?«
    Statt die Schublade wieder hineinzuschieben, war Fazio dabei, sie zu leeren, wobei er alles, was sich darin befand, ordentlich auf den Schreibtisch legte. »Einen Augenblick, Dottore. Ich will nur etwas nachschauen.«
    Als die Schublade völlig entleert war, zog Fazio sie ganz aus den Gleitstegen und drehte sie um. Unten, auf der Außenseite des Bodens, befand sich ein verchromter Schlüssel, breit, flach und gezahnt, festgehalten von zwei Streifen Tesafilm, zu einem X gekreuzt. »Ausgezeichnet, Fazio.«
    Während der Commissario den Schlüssel in Augenschein nahm, den er abgenommen hatte, legte Fazio alles wieder so in die Schublade zurück, wie es vorher war, und schloss sie mit seinem Schlüssel ab, den er wieder in die Tasche steckte.
    »Meiner Meinung nach ist das ein Schlüssel für einen kleinen Wandtresor«, sagte Montalbano.
    »Meiner Meinung nach auch«, sagte Fazio.
    »Und weißt du, was das bedeutet?«
    »Dass wir uns an die Arbeit machen müssen«, sagte Fazio, der sich sogleich das Jackett auszog und die Ärmel hochkrempelte.
    Nach zwei Stunden Bilder und Spiegel abnehmen und wieder aufhängen, Möbel hin- und herrücken, Teppiche auf- und wieder ausrollen, Medikamente beiseiteschieben und Bücher herausnehmen und wieder zurückstellen lautete Montalbanos lapidare Schlussfolgerung:
    »Hier findet man nicht den geringsten Scheiß.« Sie setzten sich erschöpft auf das Sofa im Wohnzimmer. Sie sahen sich an. Und beiden kam der gleiche Gedanke: »Das Zimmer oben.«
    Sie stiegen die Wendeltreppe hoch. Montalbano schloss auf, sie befanden sich auf der Terrasse. Die Zimmertür war noch nicht wieder in die Scharniere gehängt worden, sie stand lediglich angelehnt an ihrem Platz mit einem aufgeklebten Zettel, der besagte, dass das Betreten verboten sei und alles unter gerichtlicher Beschlagnahmung stehe. Fazio hob die Tür zur Seite, und sie traten ein. Sie hatten doppeltes Glück. Das erste bestand darin, dass das Zimmer klein war und sie daher nicht so viele Möbel verschieben mussten. Das zweite, dass der Tisch keine Schubladen hatte. Auf diese Weise verloren sie nicht allzu viel Zeit. Doch das Ergebnis war haargenau das gleiche wie in der Wohnung unten, und das hatte der Commissario ja treffend, wenn auch nicht elegant, mit wenigen Worten kommentiert. Nur dass sie sehr ins Schwitzen kamen, weil die Sonne heiß in das Zimmer schien. »Und was, wenn es der Schlüssel für ein Bankschließfach wäre?«, wagte sich Fazio hervor, als sie wieder hinunter in die Wohnung gingen.
    »Sieht mir nicht danach aus. Im Allgemeinen ist auf so einem Schlüssel eine Nummer, ein Kennzeichen, irgendwas, wodurch die Leute, die damit befasst sind, ihn erkennen können. Der hier dagegen ist glatt, anonym.«
    »Und was machen wir nun?«
    »Wir gehen allesamt futtern«, sagte Montalbano in einem Anfall von Poesie.
    Nach einem üppigen Essen und einem gemächlichen meditativen Verdauungsspaziergang bis hin zum Leuchtturm und zurück ging er ins Büro.
    »Dottori, haben Sie mir das Blatt Papier gebracht, das er braucht?«, fragte Catarella, sobald er ihn sah. »Ja, gib's ihm.«
    Wobei das »er« und »ihm« - gemäß dem komplexen catarellianischen Sprachgebrauch - ihn selbst bezeichnete, Catarella.
    Er setzte sich, holte den von Fazio entdeckten Schlüssel hervor, legte ihn auf den Schreibtisch und betrachtete ihn so lange und so ausgiebig, dass man meinen konnte, er wolle den Schlüssel hypnotisieren. Stattdessen geschah das Gegenteil, nämlich dass der Schlüssel ihn hypnotisierte. In der Tat fand er sich nach einer Weile mit geschlossenen Augen wieder, überwältigt von einem plötzlichen Schlafanfall. Er stand auf, ging sich das Gesicht waschen, und genau in dem Moment bekam er den richtigen Einfall. Er rief Galluzzo herein.
    »Sag mal, weißt du, wo Orazio Genco wohnt?«
    »Der Dieb? Natürlich weiß ich das, ich bin ja ein paarmal zu ihm gegangen und hab ihn verhaftet.«
    »Du musst ihn besuchen, ihn fragen, wie es ihm geht, und ihm meine Grüße überbringen. Weißt du, dass Orazio seit einem Jahr nicht mehr aufsteht? Ich hab nicht den Mut, ihn in seinem Zustand zu

Weitere Kostenlose Bücher