Commissario Montalbano 09 - Die dunkle Wahrheit des Mondes
er auf den Mord an Angelo Pardo zu sprechen. Die Ermittlungen in diesem Fall seien, wie er sagte, dem Chef der Mordkommission von Montelusa übertragen worden. Und das erklärte, wieso noch kein Journalist Montalbano auf den Eiern herumgetrampelt war. Es war deutlich, dass der arme Nicolò über diese Sache wenig bis nichts wusste, er sagte nämlich nur zwei Sätze und ging dann zu anderen Themen über. Besser so. Montalbano schaltete ab, telefonierte mit Livia für den üblichen Nachtgruß, der nicht in Streitigkeiten endete, im Gegenteil, Küsschen links, Küsschen rechts, und dann legte er sich schlafen. Sicher war es die Wirkung des Anrufs, die ihn ruhig werden und in tiefen Schlaf sinken ließ wie ein kleines Kind.
Und dieses kleine Kind wachte plötzlich um zwei Uhr in der Nacht auf, und statt zu weinen wie alle kleinen Kinder dieser Welt, fing er an zu denken.
Ihm war der Besuch in der Garage eingefallen. Er war sicher, dass er ein Detail übersehen hatte, etwas, das ihm in dem Augenblick bedeutungslos vorgekommen war, jetzt aber wichtig erschien, und zwar sehr wichtig. Er ließ in Gedanken noch einmal alles ablaufen, was er von dem Augenblick an getan hatte, als er die Garage betrat, bis hin zu dem Augenblick, wo er sie wieder verließ. Nichts. Morgen geh ich noch mal hin, sagte er sich. Und er drehte sich auf die Seite, um wieder einzuschlafen.
Kaum eine Viertelstunde später saß er, recht und schlecht angezogen, in seinem Auto und fuhr zu Angelos Wohnung. Dabei fluchte er wie ein Irrer.
Wenn die Bewohner der beiden Stockwerke, der drei, wenn man das Erdgeschoss hinzunahm, während des Tages schon wie tot waren, was waren sie dann erst gegen drei Uhr morgens? Wie auch immer, er bemühte sich, so wenig Lärm wie möglich zu machen. Nachdem er das Licht eingeschaltet hatte, begann er, sich alles genau anzuschauen, leere Kanister, alte Motoröldosen, Flachzangen und Engländer, so als hätte er eine Lupe in der Hand. Er entdeckte nichts, das in irgendeiner Weise in Erwägung gezogen werden konnte. Ein leerer Kanister war eben leider schlicht und einfach ein leerer Kanister, der noch dazu nach Benzin stank.
Dann ging er zu dem Mercedes. Auf den Straßenkarten des Handschuhfachs waren keine besonderen Strecken angestrichen, die Autopapiere waren in Ordnung. Er klappte die Sonnenblende herunter, sah eine Kassette mit Kanzonen nach der anderen durch, fuhr mit der Hand in die Seitentaschen, zog den Aschenbecher heraus, stieg aus, öffnete die Motorhaube, aber da war nur der Motor. Ging nach hinten, öffnete den Kofferraum: der Ersatzreifen, der Wagenheber und das Warndreieck. Er machte ihn zu. Er spürte einen ganz leichten elektrischen Schlag und öffnete den Kofferraum noch einmal. Da war das Detail, das er übersehen hatte. Unter der Gummimatte lugte ein papierenes Dreieck hervor. Er bückte sich und sah genauer hin: Es war die Ecke eines gefütterten Briefumschlags. Mit zwei Fingern zog er ihn hervor. Er war an Signor Angelo Pardo adressiert, und Signor Angelo Pardo hatte ihn, nachdem er ihn geöffnet hatte, wiederverwendet, um drei Briefe hineinzutun, die alle an ihn gerichtet waren. Montalbano zog den ersten heraus und las die Unterschrift. Elena. Er steckte ihn wieder in den gefütterten Umschlag zurück, schloss das Auto ab, machte das Licht in der Garage aus, ließ das Rollgitter herunter, und mit dem gefütterten Briefumschlag in der Hand ging er zu seinem Auto zurück, das er wenige Meter von der Garage entfernt stehen lassen hatte.
»Bleib stehen, du Dieb!«, rief eine Stimme, die vom Himmel zu kommen schien.
Er blieb stehen und schaute. Im obersten Stockwerk war ein offenes Fenster, und im Gegenlicht erkannte Commissario Montalbano Seine Majestät Vittorio Emanuele III., der ein Jagdgewehr auf ihn richtete.
Sollte er etwa auf die Entfernung über zwei Etagen zu dieser Stunde der Nacht mit einem total Verrückten diskutieren? Zumal es keine Heiligen gab, die einem beistanden, wenn der durchdrehte. Montalbano wandte ihm den Rücken zu und ging weiter. »Bleib stehen oder ich schieße!«
Montalbano ging weiter, und Seine Majestät schoss auf ihn. Im Übrigen war ja bekannt, dass die letzten Savoyer mit Schusswaffen leichtfertige Wehrhaftigkeit bewiesen hatten. Zum Glück war Vittorio Emanuele ein schlechter Schütze. Der Commissario warf sich ins Auto, ließ den Motor an, brauste mit quietschenden Reifen davon, und zwar toller als in amerikanischen Filmen, während ein zweiter Schuss dreißig
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